AUTOREN

Jeffrey Schulze, CFA
Head of Economic and Market Strategy

Josh Jamner, CFA
Senior Investment Strategy Analyst
Wesentliche Erkenntnisse
- Der Arbeitsmarkt steht im Mittelpunkt, nachdem aktuelle Arbeitsmarktberichte nach unten korrigiert und damit leichte Zinssenkungen wahrscheinlicher geworden sind. Die stark rückläufigen Einwanderungszahlen bremsen das Beschäftigungswachstum und leicht zunehmende Entlassungen deuten auf ein Umfeld niedriger Mitarbeiterfluktuation hin.
- Die von uns beobachteten drei Hauptkennzahlen ergeben ein gemischtes Bild von der Verfassung des Arbeitsmarkts: Die Stimmung am Arbeitsmarkt befindet sich aktuell im roten Bereich und signalisiert eine Rezession. Die Anträge auf Arbeitslosenunterstützung und das Lohnwachstum bewegen sich dagegen nach wie vor im grünen, expansiven Bereich, übereinstimmend mit dem insgesamt grünen Signal, das vom ClearBridge Recession Risk Dashboard ausgeht.
- Aufgrund der sinkenden Unsicherheit über Zölle, der Verabschiedung wichtiger Haushaltsgesetze und der positiven Aussichten für die Unternehmensgewinne bleiben wir optimistisch, dass sich der Arbeitsmarkt von nun an trotz der größeren Zurückhaltung bei Einstellungen erholen wird.
Rückläufige Einwanderung als wichtiger Aspekt für künftiges Stellenwachstum
An den Finanzmärkten wurde in den letzten Monaten viel über die Verfassung des Arbeitsmarkts diskutiert. Wie weit eine Wirtschaft sich auf dem Weg zur Vollbeschäftigung befindet, ist ein wichtiger Aspekt für die Geldpolitik. Das gilt insbesondere angesichts eines drohenden Anstiegs der Inflation in den nächsten Monaten, weil Unternehmen die Kosten höherer Zölle zunehmend an die Verbraucher weitergeben. Ein schwächerer Arbeitsmarkt würde der US-Notenbank (Fed) gestatten, die Zinsen selbst dann leicht zu senken, wenn das Inflationsrisiko steigt. Denn die zollbedingte Inflation wird sich voraussichtlich nicht hartnäckig halten. Sie käme wohl eher einer einmaligen Preisanpassung gleich, die das verfügbare Einkommen, die Gesamtnachfrage und damit die Gesamtinflation nach einem anfänglichen Anstieg dämpfen würde.
Die Inflation ist allerdings nur eine Seite des doppelten Mandats, das die US-Notenbank bei der Anpassung an ein neues Umfeld hat. Die andere Seite ist der Arbeitsmarkt, der gerade ebenfalls in Bewegung ist, da sich das Tempo der Einwanderung in die USA in den letzten Monaten erheblich abgekühlt hat. Die Zahl der Grenzbegegnungn lag Daten der US-Zoll- und Grenzschutzbehörde zufolge in jedem der letzten sechs Monate zwischen 25.000 und 30.000 monatlich. Das waren deutlich weniger als die durchschnittlich 225.000-250.000 pro Monat in den gleichen Sechsmonatszeiträumen jedes der drei Vorjahre. Obwohl es mehrere Monate dauert, bis Einwanderer nach ihrer Ankunft eine Arbeitserlaubnis erhalten, deutet der Rückgang der Grenzbegegnungen um 90% darauf hin, dass sich das zusätzliche Arbeitskräfteangebot 2025 dramatisch verlangsamt hat.
Die Auswirkungen der Immigration auf den Arbeitsmarkt ist kein neues Phänomen. Vielmehr haben sie den Anstieg der Arbeitslosenquote maßgeblich befeuert, der 2024 zur Einführung der Sahm-Regel führte. Wie wir damals schon erläuterten, war die stark zunehmende Einwanderung der Hauptgrund dafür, dass die erhöhte Arbeitslosenquote ein übertriebenes Bild vom Ausmaß der Schwäche am Arbeitsmarkt zeichnete. Das bemerkte damals auch Claudia Sahm, nach der die Regel benannt wurde. Inzwischen ist das zwar kein Thema mehr, aber der Rückgang der Arbeitslosenquote im vergangenen Jahr zeigt, wie Veränderungen bei der Einwanderung die gängigen Kennzahlen zur Bewertung der Verfassung am Arbeitsmarkt beeinflussen können.
Wenn wir die Verfassung des Arbeitsmarkts beurteilen, konzentrieren wir uns meistens auf folgende drei wichtige Kennzahlen: Anträge auf Arbeitslosenunterstützung, Stimmung am Arbeitsmarkt und Lohnwachstum. Alle drei sind im ClearBridge Recession Risk Dashboard enthalten, bei dem es diesen Monat keine Signaländerung gab und das insgesamt im „grünen“, expansiven Bereich bleibt. Die Stimmung am Arbeitsmarkt liegt aktuell im roten Bereich und signalisiert eine Rezession. Die Anträge auf Arbeitslosenunterstützung und das Lohnwachstum bewegen sich dagegen nach wie vor im grünen, expansiven Bereich.
Abbildung 1: US Recession Dashboard

Stand der Daten: 31. August 2025. Quellen: BLS, Federal Reserve, Census Bureau, ISM, BEA, American Chemistry Council, American Trucking Association, Conference Board, Bloomberg, CME, FactSet und Macrobond. Das ClearBridge Recession Risk Dashboard wurde im Januar 2016 geschaffen. Bezüge auf die Signale, die es in den Jahren vor Januar 2016 ausgesendet hätte, basieren auf der Art und Weise, wie sich die zugrunde liegenden Daten zu jener Zeit in den Indikatoren, aus denen es besteht, widerspiegelten.
Der Indikator für die Stimmung am Arbeitsmarkt basiert auf Daten aus dem vom Conference Board erhobenen Verbrauchervertrauen, konkrekt auf der Differenz zwischen dem Anteil der Personen, die der Ansicht sind, dass es „reichlich Arbeitsplätze“ gibt und jenen, die meinen, dass es „schwierig ist, eine Stelle zu finden“. Verschlechtert sich die Einschätzung der Verbraucher zum Arbeitsmarkt deutet dies in der Regel auf eine Konsumabkühlung hin. Diese äußert sich in einer stärkeren Kaufzurückhaltung, da die Menschen weniger zuversichtlich sind, bei Bedarf einen Arbeitsplatz zu finden. Diese Kennzahl liegt seit über zwei Jahren im roten Bereich und wäre damit traditionell betrachtet besorgniserregend. Wir sind jedoch der Meinung, dass der Indikator in den Sog der „Vibezession“ nach der Pandemie geraten ist. In dieser Periode fielen zahlreiche Stimmungsumfragen auffallend negativ aus, ohne dass sich Verhaltensweisen tatsächlich veränderten.
Die beiden anderen beschäftigungsbezogenen Indikatoren im Dashboard scheinen dagegen deutlich besser. Das Lohnwachstum hat sich stabilisiert und lag in den letzten anderthalb Jahren bei ca. 4%. Damit bewegt es sich im optimalen Bereich, der einem grünen Signal und dem Inflationsziel der Fed von 2% entspricht, sofern man die Produktivitätssteigerungen (von ca. 2%) berücksichtigt. Die Anträge auf Arbeitslosenunterstützung—unser wirtschaftlicher Frühindikator—haben die typische Sommerlaune passiert und normalisieren sich langsam wieder. Die Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung signalisieren bislang nur einen minimalen Antieg der Entlassungen und/oder Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Das ist ein positiver Trend.
Abbildung 2: Die Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung signalisieren nur eine minimale Schwäche

Hinweis: 4WMA steht für den gleitenden Vier-Wochen-Durchschnitt und NSA für nicht saisonbereinigt. Quellen: US Department of Labor, Macrobond. Letzte Aktualisierung der Daten: 26. Juni 2025, zuletzt verfügbar mit Stand 30. Juni 2025.
Neben diesen drei Indikatoren verfolgen wir aufmerksam eine Reihe von Arbeitsmarktdaten, darunter die offenen Stellen und die Kündigungsquoten (sowie Einstellungsquoten). Diese Daten runden das Bild vom Arbeitsmarkt ab und skizzieren derzeit eine „geringe Fluktuation“ mit wenigen Entlassungen aber auch größerer Zurückhaltung bei Einstellungen. Die Zahl der offenen Stellen hat sich nach einem Hoch bei über 12 Millionen im Jahr 2022 laut dem JOLTS-Bericht (Job Opening and Labor Turnover Survey) in den letzten 12 Monaten bei rund 7,5 Millionen eingependelt. Demzufolge scheinen die Arbeitgeber bei Einstellungen auf Kurs bleiben zu wollen.
Die ebenfalls aus dem JOLTS-Bericht entnommene Kündigungsquote lag letztes Jahr konstant bei ca. 2%, nachdem sie 2022 die Höchstmarke von 3% erreicht hatte. Demnach scheinen weniger Arbeitnehmer freiwillig ihren Job aufzugeben. Dies deckt sich mit einer größeren Zurückhaltung bei Einstellungen und wird durch die Einstellungsquoten untermauert. Diese sind in ähnlicher Weise vom letzten Höchststand aus gesunken, hielten sich aber im letzten Jahr stabil. Besonders interessant ist für uns das Verhältnis von Einstellungen zu Ausscheiden (Kündigungen und Entlassungen), das konstant knapp über 1,0 lag und ein leichtes Wachstum der neu geschaffenen Stellen belegt. Das deckt sich mit einem Umfeld der Zurückhaltung bei Einstellungen und Entlassungen.
Der Arbeitsmarktbericht von Juli belegte eine Abkühlung bei Einstellungen, die an sich nicht unerwartet kam, in puncto Umfang und Tempo allerdings die Erwartungen zahlreicher Beobachter übertraf, auch unsere. Mitte des Jahres haben wir erläutert, dass sich das Tempo des Stellenwachstums in der zweiten Jahreshälfte voraussichtlich auf unter 75.000 pro Monat verlangsamen würde. Das Überraschendste am Arbeitsmarktbericht vom letzten Monat waren aber nicht die Arbeitsmarktdaten für Juli an sich, sondern die Korrekturen bezüglich der beiden Vormonate. So wurden die Angaben zur Schaffung von Arbeitsplätzen für Mai und Juni um insgesamt sage und schreibe 258.000 Stellen nach unten korrigiert. Das war die größte Korrektur für zwei Monate seit 1968 außerhalb der vom NBER definierten Rezessionen.
Hoffnung macht allerdings, dass das Muster der letzten Monate darauf hinzudeuten scheint, dass sich das Stellenwachstum in den kommenden Monaten auf stabilem Niveau halten oder sogar steigen könnte. In einzelnen Monaten kann es Schwankungen geben und etwaige Korrekturen können weiterhin dazu führen, dass wir unsere Einschätzung ändern (so wie letzten Monat). Im Mai und Juni scheinen die Einstellungen jedenfalls angesichts der Unsicherheit infolge der am „Tag der Befreiung“ angekündigten Zölle zum Erliegen gekommen zu sein. Im Juli wurde dann jedoch wieder mehr eingestellt, als mehr Klarheit herrschte. Den Konsensschätzungen zufolge wird das Tempo der Einstellungen über den Rest des Jahres ähnlich bleiben.
Abbildung 3: Fortlaufende Abkühlung des Arbeitsmarktes

Hinweis: Vierteljährliche durchschnittliche Veränderung der Zahl der Beschäftigten außerhalb der Landwirtschaft. Stand: 30. Juni 2025. Quellen: Bloomberg, US Bureau of Labor Statistics (BLS), Macrobond.
Die geringere Unsicherheit scheint sich positiv auf das Klima für Einstellungen auszuwirken. Die Sorgen über die Handelspolitik sind in den letzten beiden Monaten angesichts mehrere Handelsdeals gesunken. Es scheint sich ein grobes Muster abzuzeichnen, bei dem die US-Regierung unter anderem Ein- und Ausfuhrquoten sowie Investitionsvereinbarungen und Zölle einsetzt, um ihre handelspolitischen Ziele zu erreichen. Vor allem ist nach dem aktuellen Stand der Dinge die Bandbreite möglicher Ergebnisse deutlich geringer, was die Entscheider in Unternehmen beruhigen dürfte.
Die Unsicherheit ist mit der Verabschiedung des One Big Beautiful Bill im Juli ebenfalls gesunken. Denn das Gesetz sorgt für Klarheit in Sachen Steuerpolitik, bietet Investitionsanreize für Unternehmen und steigert in vielen Fällen auch die Generierung freier Cashflows. Die Kombination aus Investitionsanreizen und mehr Liquidität dafür dürfte letztendlich zur Schaffung von Arbeitsplätzen führen. Das dauert in der Regel allerdings einige Zeit.
Die Lage am Arbeitsmarkt war in den vergangenen Jahren kompliziert, geprägt von der Erschütterung durch die Pandemie und danach von den Auswirkungen stärkerer und inwischen rückläufiger Einwanderung. Künftig dürften die Bevölkerungsalterung, sinkende Erwerbsbeteiligung und Neuerungen in der Einwanderungspolitik das Arbeitskräftewachstum verlangsamen und die Breakeven-Schwelle des Stellenwachstums auf unter 100.000 pro Monat drücken. Obwohl dies eine Veränderung gegenüber den vergangenen Jahren ist, bleiben wir optimistisch, dass sich der Arbeitsmarkt von nun an trotz einer Abkühlung bei den Einstellungen erholen wird.
Weder die Erst- noch die Folgeanträge auf Arbeitslosenversicherung deuten auf zunehmende Arbeitsplatzverluste hin. Die Unternehmensgewinne wachsen nach wie vor solide und die Entlassungen steigen in der Regel nur rasant, wenn Unternehmen aufgrund der hohen Kosten für Einstellung und Entlassung von Mitarbeitenden unter erheblichem finanziellen Druck stehen. Aktuell verbessern sich die Gewinnerwartungen der Unternehmen im S&P 500 Index, weil sich das Geschäftsklima langsam aufhellt. Die Gewinne dürfen weiter steigen, sodass eine stärkere Verschlechterung am Arbeitsmarkt unwahrscheinlich ist. Der Arbeitsmarkt ist unseres Erachtens grundlegend weiterhin in guter Verfassung, auch trotz der jüngsten Erschütterungen. Diese treten langsam in den Hintergrund, sodass Anfang 2026 die unverändert brummende US-Wirtschaft mit einer Belebung des Stellenwachstums erneut durchschimmern dürfte.
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