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Was bedeuten die in diesem Jahr weltweit stattfindenden Wahlen für Anleger?

Internationale Anleger wissen, dass in jedem Land die Innenpolitik die politische Richtung bestimmt. Wahlen gelten mitunter als riskante Phasen: In dieser Zeit muss man abwarten, für welche Politiker sich die Wähler entscheiden, und analysieren, welche Folgen die von ihnen erklärten politischen Ziele haben werden. In jedem Fall haben auch Wahlen mit knappem Ausgang Konsequenzen, auch wenn die Auswirkungen auf Anleger möglicherweise nicht immer sofort ersichtlich sind.

Im Jahr 2024 werden voraussichtlich in mehr als 50 Ländern Wahlen auf nationaler Ebene abgehalten. Dazu gehören Präsidentschafts- und Parlamentswahlen, aber auch Wahlen auf kommunaler Ebene, die jedoch landesweite Auswirkungen haben und die Innenpolitik beeinflussen, weil sie die Regierung bei der Verfolgung ihrer Ziele unterstützen oder behindern können.

Abbildung 1: 2024 drohen überall auf der Welt politische Risiken

Die Wahlen in den blau gekennzeichneten Ländern werden am folgenreichsten sein

Anmerkungen: Stand der Daten zu Bevölkerung und BIP: 2022. Die Wahlen zum EU-Parlament sind in den Zahlen nicht berücksichtigt. Quellen: Weltbank, Department of Household Registration of Taiwan, IWF, Macrobond. Analyse des Franklin Templeton Institute.

Einige dieser Wahlen können als „frei und fair“ eingestuft werden, d. h. die Bürger können sich frei zur Wahl stellen und einen fairen Wahlkampf führen, und die Wähler können ungehindert den von ihnen bevorzugten Kandidaten wählen. In autoritären Staaten wie Russland oder Venezuela können die Bürger zwar wählen, aber die Wahlen sind weder frei noch fair.

Oppositionsführer werden inhaftiert, und der Wahlkampf und die Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind massiv eingeschränkt. Und schließlich gibt es noch eine dritte Kategorie, nämlich die hybriden Demokratien, also Länder, die zwar funktionierende Demokratien sind, aber Schwächen im Wahlsystem und in der Regierungsführung aufweisen.

Vorhersagbarkeit des Wahlergebnisses

Einige Wahlen sind vorhersehbar, weil sie in autoritär regierten Ländern stattfinden. Andere wiederum sind vorhersehbar, weil ein Kandidat einen außerordentlich großen Vorsprung gegenüber einer schwachen und zersplitterten Opposition hat.

Die Anleger werden sich jedoch auf die Wahlen in den Ländern konzentrieren, die für ihre Anlageportfolios am wichtigsten sind, sowie auf die Länder, in denen ein binärer Wahlausgang zu Anlagegewinnen oder -verlusten führen könnte, je nachdem, wie die Kapitalmärkte die zukünftigen Wirtschaftsaussichten eines Landes einschätzen.

Abbildung 2: Welche Wahlen sind für internationale Anleger am wichtigsten?

Die Wahlen in den blau gekennzeichneten Ländern werden am folgenreichsten sein

Analyse des Franklin Templeton Institute.

Die Länder und Regionen, die aus Anlegersicht für unsere Kunden am interessantesten sind, haben wir in Abbildung 2 blau hervorgehoben. Die Wahl in Indien wird die größte Wahl des Jahres sein, was die Zahl der Wahlberechtigten betrifft, und auch die längste, da sie sich über mehrere Monate erstreckt. Indonesien hält dagegen die größte Wahl an einem einzigen Tag ab. Die USA sind die größte Volkswirtschaft der Welt, und die Präsidentschaftswahlen im November sind angesichts der globalen Auswirkungen des nächsten Präsidenten natürlich von großer Bedeutung.

In Taiwan stellt nach den jüngsten Wahlen nun die Demokratische Fortschrittspartei (DPP) den Präsidenten, doch im Parlament haben die Oppositionsparteien Kuomintang (KMT) und Taiwanische Volkspartei (TPP) zusammen die Mehrheit. Da keine Partei allein über eine absolute Mehrheit verfügt, muss Präsident William Lai mit den Oppositionsparteien verhandeln, um seinen politischen Kurs durchsetzen zu können. Seine beiden wichtigsten Wahlkampfthemen waren der Ausstieg aus der Atomenergie (bei gleichzeitiger konsequenter Förderung von Solar- und Windenergie) und die Verlängerung der Wehrpflicht für junge Taiwanesen von vier Monaten auf ein ganzes Jahr. Anleger haben die Bewertungen der an der taiwanesischen Börse gehandelten Windenergieunternehmen bereits in die Höhe getrieben und erwarten nun eine anhaltende Kampagne, um Taiwan den Zugang zu weiteren internationalen Exportmärkten zu öffnen.

Anlageimplikationen anderer Wahlen

Indonesien: Am 14. Februar stimmen rund 205 Millionen Wahlberechtigte1 über einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament ab (aktive Angehörige der Streitkräfte und der Polizei sind in Indonesien nicht wahlberechtigt). Laut Umfragen führt der ehemalige General Prabowo Subianto mit 20 Prozentpunkten Vorsprung, könnte aber die absolute Mehrheit von 50 % verfehlen. In diesem Fall käme es zu einer Stichwahl gegen entweder Anies Baswedan (früherer Gouverneur von Jakarta) oder Ganjar Pranowo (früherer Gouverneur von Zentraljava). Es lässt sich nur schwer vorhersagen, wer die Wahl gewinnen wird, denn mehr als 60 %2 der Wahlberechtigten sind jünger als 40 Jahre. Demnach sind Klimawandel, Bildung, Korruption und Arbeitsplätze wichtige Themen. Die Anleger gehen davon aus, dass Indonesien auch weiterhin ausgewogene Beziehungen sowohl zu China als auch zu den USA unterhalten wird. Gleichzeitig ist das Land gut positioniert, um in der neuen Architektur der globalen Lieferketten eine zentrale Position einzunehmen, da es über wichtige mineralische Ressourcen verfügt.

Unterscheiden dürften sich die einzelnen Kandidaten vor allem im Hinblick auf die Frage, inwieweit sie den Rohstoffsektor durch protektionistische Maßnahmen abschirmen wollen.

Indien: Rund 945 Millionen registrierte Wahlberechtigte3 können über die Zusammensetzung der Lok Sabha, des Unterhauses des indischen Parlaments, abstimmen. Die jüngsten Umfragen deuten darauf hin, dass Premierminister Narendra Modi dank seiner Beliebtheit beim Volk auch aus den nächsten Wahlen wieder als Sieger hervorgehen wird. Allerdings könnte die Mehrheit seiner Partei im Parlament diesmal knapper ausfallen. Die Opposition hat sich in einer Koalition aus 26 Parteien unter dem Akronym INDIA zusammengeschlossen. Ihr fehlt es aber an einem Gegenkandidaten zu Modi, der diese oppositionellen Kräfte hinter sich vereinen könnte. In dieser dritten Amtszeit der von der Bharatiya Janata Party (BJP) geführten Regierung dürfte die „Make in India“-Agenda weiter vorangetrieben werden, während gleichzeitig Investitionen in Infrastruktur unabdingbar sind. Indien wird wahrscheinlich auch weiterhin chinesische Investitionen im Bereich Elektrofahrzeuge blockieren und stattdessen lieber die inländische Produktion subventionieren. Der Haushalt für 2024 wird steigende Steuereinnahmen ausweisen und Anleger erwarten nach den Wahlen eine Zinssenkung. Es könnte einige Fortschritte bei der Umsetzung neuer Arbeitsgesetze geben, die ausländische Direktinvestitionen anlocken. Die Erwartungen internationaler Anleger sind hoch; die Umsetzung politischer Maßnahmen nach den Wahlen ist entscheidend.

Europäische Union (EU): Im Juni werden rund 450 Millionen4 aus den 27 Mitgliedstaaten der EU das neue EU-Parlament wählen. In der Vergangenheit wurde das Parlament von Parteien der Mitte beherrscht, nämlich von der Europäischen Volkspartei (EPP) und den Sozialdemokraten (S&D). Umfragen zufolge könnte die EU nach den Wahlen diesmal einen stärkeren „rechten Flügel“ aufweisen. Manch einer könnte denken, dass dies ein Problem darstellt, aber in Wirklichkeit hängt dies sehr stark von der Zusammensetzung dieses „rechten Flügels“ ab. Die moderaten Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) machen sich gegen Russland und gegen Einwanderung stark und lehnen eine föderale EU ab, arbeiten aber mit den Parteien der Mitte zusammen. Die jüngere und aufstrebende Fraktion Identität und Demokratie (I&D), der unter anderem Abgeordnete der italienischen Lega, des französischen Rassemblement National (RN) und der deutschen Alternative für Deutschland (AfD) angehören, ist dagegen eher Russland-freundlich und skeptisch gegenüber Brüssel und dürfte eher einen weniger konstruktiven politischen Kurs verfolgen. In jedem Fall sollten sich die Anleger auf einen engeren Schulterschluss mit den USA gegen China einstellen. Es könnte zu weiteren Beschränkungen bei den Auslandsinvestitionen, zu anhaltender Dynamik beim „grünen Wandel“ und zu einem stärkeren Fokus auf Grenzkontrollen und Verteidigung und somit einer engeren Zusammenarbeit mit der NATO kommen.

Vereinigtes Königreich: Die Regierung muss zwar erst wieder im Januar 2025 Wahlen ansetzen, doch die meisten Beobachter rechnen mit Wahlen bereits im November oder Dezember 2024. Die Umfragen deuten darauf hin, dass die Conservative Party nach 13 Jahren um etwa 20 Punkte hinten liegt, dass also ein Wechsel bevorsteht. Eine Labour-Regierung würde wahrscheinlich produktivere Beziehungen zur EU anstreben, allerdings deutet nichts darauf hin, dass sie versuchen würde, den Brexit rückgängig zu machen. Das Dilemma für Anleger besteht nach wie vor darin, dass sie die unbestrittenen positiven Merkmale des Vereinigten Königreichs, darunter die niedrigen Marktbewertungen, gegen die Produktivitätsprobleme in einer Zeit angespannter Staatsfinanzen und schwieriger wirtschaftlicher Aussichten abwägen müssen.

USA: Die globale Bedeutung der Präsidentschaftswahlen darf nicht unterschätzt werden. Das Zweiparteien-System führt zu binären Wahlergebnissen, aber die Erfahrung lehrt, dass Mehrheiten im Kongress und im Senat für jeden Präsidenten wichtig sind, um seine Agenda umsetzen zu können. Anhand der verfügbaren Informationen können Anleger davon ausgehen, dass die Produktion in den USA und das Reshoring gestärkt werden (United States-Mexiko-Canada Agreement, USMCA), dass der Handel mit China weiterhin beschränkt sein wird und dass die USA zukünftig stärker zögern werden, sich direkt an Kriegen im Ausland zu beteiligen. Ein republikanischer Präsident könnte eine engere Zusammenarbeit zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU fordern und asiatische Länder zwingen, ihre Position im Hinblick auf China abzusichern.

Die Risiken betreffen auch KI und Desinformationen im Hinblick auf Wahlen

Es kann einem schon Angst machen, dass dieses Jahr mit einer Rekordzahl von Wahlen weltweit auch das Jahr ist, in dem erstmals Tools auf Basis der generativen künstlichen Intelligenz (KI) wie ChatGPT und Midjourney einer breiten Masse zugänglich sind – genau wie die Technologie für „Deepfakes“, mit der bekannte Personen digital geklont werden und diese Klons dann in realistische Videos eingefügt werden. Die möglichen Auswirkungen für Wahlkampagnen sind extrem besorgniserregend, denn mit diesen neuen Technologien könnten die Versuche, Fehlinformationen zu verbreiten, um den Ausgang von Wahlen zu beeinflussen, an Zahl und Intensität deutlich zunehmen.

Aufgrund der Gefahr, dass Fehlinformationen als Waffe benutzt werden können, und der jetzt schon herrschenden geopolitischen Spannungen ist es angebracht, sich über die Themen und die Dynamik der einzelnen Wahlen und die möglichen Auswirkungen für den politischen Kurs des jeweiligen Landes auf dem Laufenden zu halten. Wir vom Franklin Templeton Institute können Anlegern dabei helfen.



Wichtige Hinweise

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