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Zwei gleichzeitig wirkende Kräfte lassen die langfristigen Realzinssätze in die Höhe steigen. Während AnlegerInnen und MarktbeobachterInnen oft beide Aspekte zusammen betrachten, müssen sie meines Erachtens klar unterschieden werden. Die Investitionen nehmen zu, parallel dazu bleiben die Haushaltsdefizite hoch.

Es zeichnet sich ein neuer Trend hin zu verstärkten Investitionen ab, der in den nächsten Jahren anhalten dürfte. Die Ursache dafür liegt in mehreren wichtigen Prioritäten: (a) Die unzureichenden Infrastrukturinvestitionen der Vergangenheit, sowohl in die traditionelle als auch in die digitale Infrastruktur, müssen nachgeholt werden. Der jüngste Bericht der American Society of Civil Engineers bewertet die US-Infrastruktur insgesamt (nicht zum ersten Mal) mit einer schlechten Note;1 (b) zunehmende geopolitische Spannungen bedingen eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben in westlichen Ländern; (c) das wachsende Interesse am Potenzial der künstlichen Intelligenz erfordert neue Investitionen in die nötige Hardware (insbesondere Halbleiter), Software und Energie; (d) der Übergang zu umweltfreundlicher Energie verlangt mehr Investitionen, um die Rolle der erneuerbaren Energien zu stärken; und (e) Fertigungsunternehmen müssen weiterhin in neue Technologien investieren, wozu auch die Stärkung der Widerstandsfähigkeit ihrer Lieferketten gehört.

Nicht alles davon wird zu raschen Produktivitätssteigerungen führen. Beispielsweise ist die Umstellung auf grüne Energie zwar ein sehr wichtiges Ziel, aber viele der erforderlichen Investitionen werden kurz- und mittelfristig nicht zu einem höheren Produktivitätswachstum beitragen. Da es sich um den Ersatz von vorhandenem Kapital handelt, wird das aktuelle Wirtschaftswachstum durch höhere Ausgaben gesteigert, nicht aber die Produktivität – ähnlich wie beim Wiederaufbau bestehender Gebäude nach der Zerstörung durch einen Wirbelsturm. In einem vor Kurzem erschienenen Bericht für die französische Regierung schätzt der Wirtschaftswissenschaftler Jean Pisani-Ferry, dass die Investitionen in den grünen Wandel das Produktivitätswachstum in den nächsten Jahren wahrscheinlich um einen Viertelprozentpunkt pro Jahr verringern werden. (Der Bericht warnt auch davor, dass der grüne Wandel die Inflationsrisiken in den nächsten zehn Jahren erhöht.)2

Dennoch dürfte der Großteil der Investitionen im Laufe der Zeit ein schnelleres Produktivitätswachstum bewirken (die Beschleunigung der US-Produktivität im Jahr 2023 lässt bereits hoffen, auch wenn das schwache erste Quartal dieses Jahres zur Vorsicht mahnt). Ein stärkeres Produktivitätswachstum dürfte wiederum zu einem höheren realen Wirtschaftswachstum führen, was eines der Hauptargumente der Theorie der säkularen Stagnation3 umkehrt und auf lange Sicht einen höheren Gleichgewichtszinssatz herbeiführt.

Darüber hinaus beseitigt oder verringert eine höhere Investitionstätigkeit bei einem gegebenen Sparniveau auch die „Ersparnisschwemme“, was ebenfalls auf höhere Realzinssätze hindeutet.

Die Regierung hat und wird einen Teil dieser Maßnahmen durchführen, daher werden Investitionen oft in einem Atemzug mit größeren Haushaltsdefiziten genannt. Beides muss jedoch nicht Hand in Hand gehen. Regierungen könnten höhere öffentliche Investitionen durch eine Senkung der weniger produktiven öffentlichen Ausgaben (oder durch höhere Steuern) ausgleichen. Außerdem erweist sich ein beträchtlicher Teil staatlicher Investitionen häufig als unwirksam, wenn es um die Steigerung der Produktivität geht – der Privatsektor setzt sein Kapital in der Regel deutlich besser ein.

In den USA wurde die Fiskalpolitik kontinuierlich gelockert und ging dabei weit über die öffentlichen Investitionen des Landes hinaus. Unabhängig von steigenden Investitionen spielen daher anhaltend hohe Haushaltsdefizite inzwischen eine eigene wichtige Rolle bei der Frage der Zinsaussichten. Die US-Regierung betreibt schon seit Langem eine enorm lockere Finanzpolitik: Das Haushaltsdefizit der USA lag in den letzten sechs Jahren im Schnitt bei knapp 8 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP). In den Jahren 2022–2023 belief es sich auf durchschnittlich fast 6 % des BIP, obwohl das Wirtschaftswachstum boomte. Das Congressional Budget Office (CBO) geht davon aus, dass das Defizit in den nächsten fünf Jahren durchschnittlich 5,5 % des BIP betragen und dann weiter ansteigen wird. Als Folge der anhaltend hohen Defizite ist der Schuldenstand stark gewachsen. Vor zehn Jahren lag die Staatsverschuldung bei etwa 70 % – heute erreicht sie beinahe 100 % des BIP und wird weiter rapide zunehmen, wenn die Defizite so hoch bleiben wie vom CBO prognostiziert.

Durch die Notwendigkeit, Jahr für Jahr große Haushaltsdefizite zu finanzieren, gerät das Anleiheangebot stark unter Druck. Bei einem gegebenen Nachfrageniveau führt dies tendenziell zu einem Rückgang der Anleihekurse und einem Anstieg der Zinsen. Darüber hinaus erzeugen ein großes Haushaltsdefizit, wachsende Schulden und hohe Zinsen einen Teufelskreis, der den Abbau des Defizits immer schwieriger macht. Derzeit machen die nicht verteidigungsbezogenen Ermessensausgaben weniger als ein Sechstel des US-Haushalts aus (15 % der Gesamtausgaben). Die Zinsausgaben steigen unterdessen weiter an – in den letzten zehn Jahren betrugen sie im Mittel nur 1,5 % des BIP. Das CBO prognostiziert, dass sie in den nächsten zehn Jahren durchschnittlich 3,5 % des BIP ausmachen, sich also mehr als verdoppeln werden, und dass sie die nicht verteidigungsbezogenen Ermessensausgaben bis 2025 in den Schatten stellen werden. Dadurch würden nur sehr wenige Mittel für Bildung, Infrastrukturinvestitionen, Transport, innere Sicherheit und ähnliches übrig bleiben.

Die zugrunde liegenden CBO-Prognosen sind wahrscheinlich konservativ: Sie gehen davon aus, dass der Zinssatz für Staatsschulden in den nächsten zehn Jahren weiterhin weniger als 3,5 % beträgt. Um diese Annahme in die richtige Perspektive zu rücken, sollte man bedenken, dass der Zinssatz für US-Staatsschulden in den 1990er-Jahren bis zum Vorabend der globalen Finanzkrise – also vor der letzten Periode einer ultralockeren Geldpolitik – im Durchschnitt bei fast 6 % lag. Wenn der Durchschnittszins für Schulden auch nur einen Prozentpunkt über die CBO-Annahme steigen würde (immer noch deutlich unter dem Mittelwert vor der globalen Finanzkrise), würden die Zinsausgaben innerhalb von zehn Jahren mehr als doppelt so hoch sein wie heute.

US-Staatsausgaben: Nur CBO-Prognosen

1962–2034 (Prognose)
Stand: 22. Mai 2024

Quellen: CBO, Macrobond. Analyse von Franklin Templeton Fixed Income Research. Es gibt keine Garantie dafür, dass sich Schätzungen oder Prognosen bewahrheiten.

Wie man es auch dreht und wendet, um das US-Haushaltsdefizit in den Griff zu bekommen, bedarf es sehr ernsthafter Anstrengungen, die ich im derzeitigen politischen Klima für unwahrscheinlich halte. Unterdessen wird die lockere Finanzpolitik wahrscheinlich weiterhin Aufwärtsdruck auf die Zinsen ausüben.

Ich vertrete seit einiger Zeit die Auffassung, dass die realen Gleichgewichtszinsen wahrscheinlich viel höher sind, als die Märkte und die Federal Reserve (Fed) offenbar immer noch annehmen – mit einer neutralen Fed Funds Rate von über 4 % statt der von der Fed derzeit prognostizierten 2,5 % und entsprechend höheren Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen. Das Zusammentreffen von lockerer Fiskalpolitik und einem steigenden Investitionstrend kann meine Überzeugung im Hinblick auf diese höheren Zinsaussichten nur stärken.



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