Bei den indischen Parlamentswahlen 2024 konnte die Bharatiya Janata Party (BJP) von Premierminister Narendra Modi zwar die Mehrheit der Parlamentssitze für sich gewinnen, büßte allerdings gegenüber der Wahl 2019 Stimmen ein. Das Ergebnis ist enttäuschend und wird sich auf bestimmte Sektoren eventuell negativ auswirken, wir gehen jedoch nicht davon aus, dass sich die Ausrichtung der Politik der von der BJP angeführten „National Democratic Alliance (NDA)“ dadurch ändert. Im Fokus wird weiterhin die Entwicklung des Produktionsstandorts durch das Programm der „Production Led Incentives (PLI)“ stehen, zudem der Übergang des Infrastrukturwachstums vom öffentlichen in den privaten Sektor mit einem Fokus auf Bereiche wie erneuerbare Energie und Konsumförderung; eventuell erfährt das Thema Einkommen in ländlichen Gebieten wieder mehr Beachtung.
Abbildung 1: Politische Gruppen in der Lok Sabha
Quelle: National Portal of India. Aktueller Datenstand um 15:00 GMT, 4. Juni 2024
Der Produktionsstandort
Die BJP wird in dieser dritten Amtszeit die Entwicklung des Produktionsstandorts Indien vorantreiben. Sie hat es erfolgreich verstanden, für große taiwanesische Vertragshersteller attraktiv zu werden, die Unterhaltungselektronik für führende internationale Marken herstellen. Dadurch entstanden sehr viele Arbeitsplätze.
Das PLI-Programm war vor allem in der Halbleiterbranche, in die 2020–25 ganze 20 Mrd. USD and Zuschüssen und Subventionen flossen, ein voller Erfolg1. NVIDIA2 und Micron3 errichten in Indien Kompetenzzentren mit Arbeitsplätzen für bis zu 10.000 Menschen. Diese Investitionen von Branchenführern sind sehr wichtig, denn sie erweitern die Beschäftigungsmöglichkeiten für Indiens sehr gut ausgebildete Arbeitnehmerschaft über die traditionell starken Bereiche im technischen Support und der Beratung in Technologiefragen hinaus.
Einer der Bereiche, auf die sich Premierminister Modi in seiner dritten Amtszeit konzentrieren wird, ist die Stärkung der Position Indiens bei der Diversifizierung der weltweiten Lieferketten. Bei multinationalen Konzernen, die einen zusätzlichen Produktionsstandort außerhalb Chinas suchen, wirbt Indien bereits jetzt sehr erfolgreich Investitionen ein. Besonders attraktiv für diese Unternehmen ist der riesige Pool an gut ausgebildeten Arbeitskräften mit einem gegenüber China niedrigeren Lohnniveau.
Die Infrastruktur
Die staatlichen Investitionen in die Infrastruktur dürften zurückgehen. Sie waren in den vergangenen drei Jahren um über 20 % gestiegen; für 2025 wird eine geringere Steigerung um 12 % erwartet4. Während die öffentliche Hand ihre Investitionen zurückfährt, wird der private Sektor voraussichtlich mehr investieren. Gefördert wird dieser Anstieg der privaten Investitionen durch den deutlich besseren Cashflow der Top 150 Unternehmen in Indien. Vor der Coronakrise generierten diese Unternehmen 10 Mrd. USD freien Cashflow pro Jahr. Im Geschäftsjahr 2024 waren es 40 Mrd. USD – zur besseren Liquiditätslage beigetragen hat unter anderem ein zunehmendes Umsatzwachstum5.
Die staatlichen Investitionen werden sich weiterhin auf die Transportinfrastruktur konzentrieren, während die privaten Investitionen voraussichtlich die Entwicklung des Fertigungssektors vorantreiben. Dazu gehören Investitionen in Fertigungsstandorte, Wohnheime und erneuerbare Energien.
Der Konsum
Eine Analyse der Wahlergebnisse bei der letzten Parlamentswahl deutet darauf hin, dass die BJP bei der ländlichen Bevölkerung schlechter abgeschnitten hat als erwartet. Daher könnte Premierminister Modi sich in seiner dritten Amtszeit wieder stärker auf die Wähler im ländlichen Raum konzentrieren. Durch das höhere Steueraufkommen und die 2025 voraussichtlich bessere Haushaltslage gewinnt die Regierung mehr Flexibilität für höhere Ausgaben in diesem Bereich, unter anderem durch eine Konzentration auf höhere Transferzahlungen. Davon dürften Basiskonsumgüter und zyklische Konsumgüter profitieren — zwei Sektoren, auf die sich Investments in Indien konzentrieren.
Möglicherweise werden Landwirten Kredite erlassen. Da die Regierung aber eine eher konservative Haushaltspolitik verfolgt, wird dieser Aspekt voraussichtlich nicht im Vordergrund stehen. Dennoch sind Banken des öffentlichen Sektors unter Verkaufsdruck geraten, da die Anleger sich vor einer Zunahme notleidender Vermögenswerte fürchten. Um dieses Risiko zu verringern bevorzugen unsere Portfoliomanager indische Banken des privaten Sektors.
Gegenüber den Erwartungen ist das Wahlergebnis in Indien eindeutig eine Enttäuschung. Wichtig ist aber die Konzentration auf die langfristige Perspektive, und wir gehen nicht davon aus, dass sich die Politik in der voraussichtlichen dritten Amtszeit von Premierminister Modi wesentlich ändern wird. Indiens Wachstum wird weiterhin vor allem vom verarbeitenden Gewerbe, Infrastruktur und Konsum angetrieben.
Durch unsere Präsenz mit 15 Anlagefachleuten in drei indischen Städten hat unser Team vor Ort die aufkommenden Trends stets klar im Blick. Hinzu kommt unsere globale Präsenz in Schwellenländern mit über 70 Anlagefachleuten in 14 Ländern.
Fußnoten
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Quelle: ICRA, „PLI CAPEX deployment expected to surge from FY24 for more than 80% of the projected investments“, 23. November 2022.
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Quelle: NVIDIA, „Tata Partners with NVIDIA to Build Large-Scale AI Infrastructure“, 8. September 2023.
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Quelle: Micron, „Micron Announces New Semiconductor Assembly and Test Facility in India“, 22. Juni 2023
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Quelle: Indische Regierung.
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Quelle: FactSet.
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