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Wichtigste Inhalte

  • Die Konjunkturerwartungen hellen sich auf, sodass der Konsens inzwischen tendenziell von einer weichen Landung ausgeht. Die makroökonomischen Daten und das ClearBridge Recession Risk Dashboard mahnen allerdings weiterhin zur Vorsicht, da eine Rezession immer noch
    das wahrscheinlichste Szenario ist.
  • Ein robuster Aktienmarkt war in der Vergangenheit durchaus nicht immer ein verlässliches Rezessionssignal. Der Markt erzielte in den sechs Monaten vor Beginn einer Rezession in 42% der Fälle eine positive Rendite und entwickelte sich in den drei Monaten vor einer Rezession in 25% der Fälle positiv.
  • Gemessen an den Realzinsen wurde die Geldpolitik erst Ende 2022 restriktiv. Bei einer typischen zeitlichen Wirkungsverzögerung der Geldpolitik von sechs bis 18 Monaten und angesichts des Zeitraums von der ersten Zinserhöhung bis zur Kontraktion, könnte der Horizont für eine Rezession zwischen Mitte 2023 und Mitte 2024 liegen.

Optimismus an der Wall Street verdrängt Spekulationen über eine Rezession

Seit Mitte Mai dominiert das Narrativ von einer weichen Landung, beflügelt durch einen Anstieg der US-Aktienkurse um 11%. Gleichzeitig haben einige hochkarätige Wall Street Strategen kapituliert und ihre Prognosen korrigiert, um eine höhere Wahrscheinlichkeit einer weichen Landung widerzuspiegeln und/oder ihre Kursziele für den S&P 500 Index anzuheben. Bei genauem Hinsehen mahnen die Daten allerdings obwohl sich die Stimmung verbessert weiterhin zur Vorsicht und zeigen, dass die Einschätzungen zu einer unmittelbar bevorstehenden Rezession in den letzten Quartalen fehl am Platze waren. Wir haben den potenziellen Zeitraum für eine Rezession lange in der zweiten Jahreshälfte gesehen. Dabei bleiben wir, räumen aber gleichzeitig ein, dass er sich ins erste Halbjahr 2024 verschieben könnte.

Das mittlere Kursziel für den S&P 500 Ende 2023 ist von 4.000 Mitte Mai auf 4.300 gestiegen. Dabei haben 14 der 24 von Bloomberg befragten Unternehmen ihre Ziele angehoben. Zur gleichen Zeit verbuchten US-Aktien eine Kursrally, und eine Reihe von Wirtschaftsdaten übertrafen die Konsenserwartungen. Der Bloomberg Economic Surprise Index erreichte im Juli den höchsten Stand seit der ersten Erholung nach dem Lockdown im Sommer 2020 und wechselte ins oberste Dezil seiner historischen Spanne. Von hier aus kehrt er häufig um, sobald eine Serie von wirtschaftlichen Enttäuschungen folgt (Abbildung 1).

Die Welle besserer Konjunkturdaten war sicherlich eine positive Entwicklung, aber die Geschichte zeigt, dass sich die Konjunktur häufig stark abschwächt, wenn sich rezessive Kräfte bemerkbar machen. Kurzum, eine aktuell vergleichsweise robuste Wirtschaft hat kaum Einfluss darauf, was in Zukunft geschieht. Anleger, die den zuletzt starken Aktienmarkt als Signal der Entwarnung in Sachen Rezession gewertet haben, sollten bedenken, dass der Markt in den sechs Monaten vor Beginn einer Rezession in 42% der Fälle eine positive Rendite erzielte und sich in den drei Monaten vor einer Rezession in 25% der Fälle positiv entwickelte.

Abbildung 1: Bloomberg Economic Surprise Index

Stand: 1. August 2023. Quelle: Bloomberg. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist weder ein Indikator noch eine Garantie für die zukünftige Wertentwicklung.

Die Haupttreiber für ein Szenario einer weichen Landung sind bei genauerer Betrachtung fraglich. Daher müssen Anleger abwägen, wann eine Rezession erwartet werden „sollte“, wenn es denn soweit kommt. Anfang des Jahres hatten wir 2023 mit einer Rezession in der zweiten Jahreshälfte gerechnet. Letzten September wiesen wir auf eine potenzielle Einleitungsphase von mindestens einem Jahr ab dem ersten roten Gesamtsignal im ClearBridge Recession Risk Dashboard bis zur Rezession hin, ähnlich wie wir es vor dem Abschwung in den 1990ern gesehen hatten. Wir bleiben bei dieser Einschätzung und orientieren uns weiterhin an dem insgesamt tief roten Signal im ClearBridge Recession Risk Dashboard. Diesen Monat hat sich das Dashboard nicht verändert.

Abbildung 2: ClearBridge Recession Risk Dashboard

Quelle: ClearBridge Investments.

Auf der Pressekonferenz des Offenmarktausschusses (FOMC) sprach der Vorsitzende Jerome Powell über die langen und variablen Verzögerungen, mit denen die Geldpolitik ihre Wirkung entfaltet. Dabei wies er insbesondere darauf hin, dass die reale (inflationsbereinigte) Fed Funds Rate inzwischen deutlich in positivem Terrain (über der Inflation) liegt. Die Geldpolitik sollte daher straff genug sein, um das Wirtschaftswachstum abzukühlen und die Inflation einzudämmen. Das ist deshalb wichtig, weil sich die meisten Anleger ausschließlich auf die Höhe der Zinsen konzentrieren. In der wissenschaftlichen Forschung und den eigenen Modellen der Fed gilt das Hauptaugenmerk dagegen der Höhe der Zinsen im Vergleich zur Inflation.

Powell bevorzugte bei der Berechnung des realen Zinssatzes eine gängige Messgröße der kurzfristigen Inflationserwartungen im Gegensatz zur tatsächlichen Inflation. Wir stimmen ihm zu. Denn Anleger und Unternehmenslenker konzentrieren sich bei Entscheidungen über die Kapitalallokation in der Regel weit mehr auf ihre Erwartungen für die Zukunft als auf Zurückliegendes. Verbraucher werden zum Beispiel sehr viel wahrscheinlicher heute ein Haus oder Auto kaufen, wenn sie davon ausgehen, dass die Preise in einem Jahr höher sein werden. Dagegen ist für sie nicht so wichtig, wie sich die Preise in jüngster Zeit
entwickelt haben.

Dementsprechend (anhand der Marktpreisbildung für einen 1-jährigen Inflationsswap) brachte die Federal Reserve (Fed) die Zinsen erst Ende 2022 in restriktives Terrain, d. h. über den neutralen Satz oder den Punkt, an dem die Zinsen das wirtschaftliche Wachstum weder unterstützen noch dämpfen. Das ist deshalb wichtig, weil die Geldpolitik bekanntermaßen mit langen und variablen Verzögerungen ihre Wirkung entfaltet. Wenn die Zinssätze erst gegen Jahresende den Punkt erreichen, an dem sie die Wirtschaft voraussichtlich bremsen werden, müssten Anleger, die eine zeitlich verzögerte Wirkung der Geldpolitik von sechs bis 18 Monaten (die wissenschaftliche Forschung unterstützt dies überwiegend) berücksichtigen, zwischen Mitte 2023 und Mitte 2024 mit einer Rezession rechnen.

Abbildung 3: Wie restriktiv ist die Geldpolitik?

Stand: 1. August 2023. Quelle: Federal Reserve und Bloomberg. Die reale Fed Funds Rate ist die Fed Funds Rate minus den 1-Year Zero Coupon Inflation Swap; der neutrale Zins entspricht dem Holston-Laubach-Williams-Modell. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist weder ein Indikator noch eine Garantie für die zukünftige Wertentwicklung.

Historisch gesehen ist es möglicherweise im aktuellen Zinserhöhungszyklus noch zu früh, eine Rezession zu erwarten, obwohl es sich eventuell anfühlt, als sei die Fed seit Ewigkeit im Straffungsmodus. Die erste Zinserhöhung war Mitte März letzten Jahres und liegt somit erst 16,5 Monate zurück. Historisch setzte eine Rezession 23 Monate nach der ersten Zinserhöhung eines anhaltenden Zinserhöhungszyklus ein. Nur bei drei der letzten 12 anhaltender Zinserhöhungszyklen (seit Ende der 1950er) setzte eine Rezession an diesem Punkt ein. Die Fed begann ihren Straffungszyklus erst sehr spät, als die Inflation fast zweistellig war und die Fed Funds Rate bei 0% lag. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass die rezessionären Gegenwinde mehr Zeit brauchen, um gemeinsam ihre Wirkung zu entfalten.

Abbildung 4: Lange und variable Verzögerungen

*Ein anhaltender Zinserhöhungszyklus ist ein Zeitraum, in dem die Fed die meisten Zinsanhebungen in einem Straffungszyklus vornimmt. Der Zeitpunkt der ersten Zinsanhebung im Straffungszyklus ist eventuell nicht identisch mit dem Beginn des anhaltenden Zinserhöhungszyklus. Quelle: FactSet. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist weder ein Indikator noch eine Garantie für die zukünftige Wertentwicklung.

Für ein Entwarnungssignal von Volkswirten und Strategen ist es möglicherweise noch zu früh, denn die verzögerte Wirkung der Geldpolitik dürfte das Wirtschaftswachstum erst in den nächsten Quartalen verlangsamen. Wir sind verblüfft, dass sich das Konjunkturklima in den letzten Wochen just zu dem Zeitpunkt aufhellt, da sich das Fenster für eine Rezession möglicherweise (endlich) öffnet.

Das bestärkt uns etwas in unserer Einschätzung, dass die Wirtschaft nächstes Jahr sehr wahrscheinlich in eine Rezession rutschen wird, denn die Stimmungsbarometer funktionieren in der Regel am besten als entgegengesetzte Signale. Rückblickend betrachtet war dies Anfang des Jahres der Fall, als alle „Die am meisten erwartete Rezession aller Zeiten“ erwarteten. Wenn die Anleger nun (unseres Erachtens irrtümlich) auf eine weiche Landung hoffen, könnte dies erneut passieren. Unabhängig davon, ob unsere Einschätzung sich am Schluss als richtig erweist, basiert sie auf unserem Prozess und einer Reihe von Indikatoren, die in der Vergangenheit zuverlässig den Beginn einer Rezession signalisiert haben. Der Konsens rechnet damit zwar deutlich weniger als vor acht Monaten, wir sehen aber dennoch eine Rezession am Horizont.



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