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Nach den jüngsten Wahlen in Deutschland haben der wahrscheinliche neue Bundeskanzler Friedrich Merz und seine potenziellen Koalitionspartner Möglichkeiten ausgelotet, wie Deutschland die Verschuldungsvorschriften des Landes überarbeiten und damit umfangreiche Infrastruktur- und Verteidigungsausgaben mobilisieren könnte. Dies geschieht zu einer Zeit, in der Europa seine Verteidigungsausgaben deutlich anheben will, da die politischen Entscheidungsträger in den USA die Klauseln über die gegenseitige Verteidigung der NATO infrage stellen und vorübergehend sogar die Versorgung der Ukraine mit Ausrüstung und geheimdienstlichen Informationen in ihrem Kampf um Unabhängigkeit ausgesetzt haben. Diese beiden Umschwünge in Europa sollten im Hinblick auf ihre wirtschaftlichen Auswirkungen und geopolitischen Implikationen unseres Erachtens nicht unterschätzt werden.

Diese Situation ist für Deutschland von besonderer Bedeutung, da das Land zusammen mit dem Großteil Europas in den letzten Jahren aufgrund verschiedener politischer und struktureller Belastungsfaktoren Schwierigkeiten hatte, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. So gab das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) Deutschlands etwa 2023 und 2024 nach, da sich das Land mit höheren Energie- und Gaskosten konfrontiert sah, was die Produktion in einigen Sektoren belastete und für eine schwächere Wettbewerbsfähigkeit im globalen Vergleich sorgte. Der jüngste, durch den Regierungswechsel in den USA ausgelöste geopolitische Wandel hat einen Anreiz für die europäischen Volkswirtschaften geschaffen, in die Verteidigung zu investieren, und Deutschland dazu veranlasst, die Schuldenbremse des Landes zeitnah zu überarbeiten. Diese ist dazu gedacht, die Finanzlage des Landes zu schützen, indem sie die Regierung in ihrer Fähigkeit beschränkt, fiskalische Stimuli zu verabschieden. Da Deutschland mit breiter Unterstützung auf Ebene der Europäischen Union (EU) den ersten Schritt wagt, könnten viele weitere Länder diesem Beispiel folgen. Tatsächlich weisen mehrere große europäische Volkswirtschaften aufgrund der historischen Schuldenregelungen der EU eine vergleichsweise niedrige Verschuldung im Verhältnis zum BIP auf, darunter die Niederlande, Dänemark, Schweden und Polen. Mit Blick auf die Zukunft rechnen wir in den einzelnen Ländern mit deutlich höheren Ausgaben sowie einer zentralisierten Finanzierung zusätzlicher Verteidigungsinvestitionen auf europaweiter Ebene.

Zum jetzigen Zeitpunkt scheint Deutschland ein mehrjähriges Ausgabenpaket im Umfang von 500 Mrd. EUR (rund 11 % des deutschen BIP 2023) zu planen, wovon 100 Mrd. EUR speziell für Klimainvestitionen vorgesehen sind und der Rest vor allem für „Zivilschutz, Transport, Krankenhäuser, Energie, Bildung, Wissenschaft, Forschung und Entwicklung, Pflege und Digitalisierung“ aufgewendet werden soll. Indes arbeitet die Europäische Kommission an einem 100 Mrd. EUR schweren Fonds zur Unterstützung der Entwicklung von Stromabnahmeverträgen, damit bis 2030 jährlich saubere Energiekapazitäten im Umfang von 100 Gigawatt installiert werden. Zudem hat sie einen Finanzierungsmechanismus in Höhe von 150 Mrd. EUR für Verteidigungsausgaben der EU-Mitgliedstaaten angekündigt. Insgesamt will die Europäische Kommission zusätzliche Verteidigungsausgaben im Umfang von 800 Mrd. EUR freisetzen. Letztlich könnten Investitionen in Billionenhöhe in ganz Europa getätigt werden, was für erhebliche fiskalische Anreize in den Volkswirtschaften der Region sorgen würde.

In ganz Europa stehen die Parteien der politischen Mitte unter Druck von beiden Rändern des politischen Spektrums, was auf zunehmende Frustration der Bevölkerung in Bezug auf eine Reihe von Belangen hindeutet, darunter das allgemein schwache Wirtschaftswachstum. Umfangreiche Infrastrukturinvestitionen bieten Deutschland die Chance, neue Stellen zu schaffen, das BIP anzukurbeln und die Lebensqualität seiner Bürger zu steigern. Gut strukturierte Investitionen können im Laufe der Zeit auch höhere Steuereinnahmen nach sich ziehen, wodurch die Notwendigkeit der Emission neuer Schuldtitel in Zukunft abnehmen würde. Unter den Möglichkeiten für Staatsausgaben stellen Infrastrukturinvestitionen unseres Erachtens eine der sinnvollsten Optionen dar. Diese Projekte können für positive wirtschaftliche Multiplikatoren sorgen, die Stellen schaffen und die Entwicklung des Handels-, Energie- und Transportwesens in der gesamten Wirtschaft fördern. Eine verbesserte Energieinfrastruktur könnte dazu beitragen, die Energiekosten für Verbraucher und Unternehmen zu senken, während höhere Verteidigungsausgaben dabei helfen könnten, das infolge der Einstellung der russischen Gaslieferungen erwartete schwächere Wachstum in der deutschen Industrie auszugleichen. Der spezielle Infrastrukturfonds in Deutschland scheint einen Schritt in die richtige Richtung darzustellen und könnte unseres Erachtens als positiver Katalysator für das Wirtschaftswachstum und das Anlegervertrauen fungieren.

Die vorgeschlagenen Ausgabenerhöhungen wurden zunächst positiv vom Markt aufgenommen, sodass eine Vielzahl an Sektoren und Unternehmen eine starke Aktienkursentwicklung verzeichneten. In den letzten Wochen haben die allgemeineren wirtschaftlichen Unsicherheitsfaktoren – insbesondere im Hinblick auf die USA – diesen Enthusiasmus jedoch getrübt. Trotz dieser Herausforderungen besteht weiterhin gewisser Optimismus darüber, dass die Ausgaben den Unternehmen in Europa zugutekommen werden, insbesondere jenen in der Industrie und im Bauwesen. So lässt Europa den US-Markt im bisherigen Jahresverlauf weiter hinter sich, was einen deutlichen Stimmungswandel im Vergleich zu Ende 2024 signalisiert. Wichtig hierbei ist, dass die Anleger die beabsichtigten Finanzierungspläne und die von Deutschland angestrebte Fiskalposition zuversichtlich einschätzen. Zum Zeitpunkt der Erstellung des Beitrags bewegt sich die Rendite 10-jähriger deutscher Bundesanleihen nach wie vor unter 3 % und fällt damit mit Ausnahme Japans niedriger aus als in beinahe allen anderen Industrieländern.

Es bleiben jedoch selbstverständlich Herausforderungen bestehen. Wichtige Volkswirtschaften wie das Vereinigte Königreich, Frankreich und Italien weisen aus fiskalischer Sicht weiterhin stärkere Beschränkungen auf und werden schwierige Entscheidungen treffen müssen, um die Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Indes stellen die komplexen regulatorischen Prozesse und die unterschiedlichen Vorschriften und Strukturen in den verschiedenen europäischen Ländern weiterhin einen Hemmschuh für Investitionen und bereits seit Langem eine Belastung für die Wettbewerbsfähigkeit Europas dar. Eine Vereinfachung und mehr Pragmatismus, einschließlich einer stärkeren Verzahnung in Bereichen wie Infrastruktur- und Energieinvestitionen, könnten das Wirtschaftswachstum ebenfalls beschleunigen. Tatsächlich hatte Mario Draghi, ehemaliger Premierminister Italiens, viele dieser Punkte bereits in seinem 2024 veröffentlichten Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit der EU aufgegriffen, in dem er einige schwierige Wahrheiten in Bezug auf den Staatenbund darlegte.1 Wie Europa ein Gleichgewicht zwischen den auf kurze Sicht höheren Investitionen und seinen Bemühungen um eine einfachere Regulierung schafft, wird daher entscheidend zum wirtschaftlichen Potenzial Europas beitragen.

Europäische Aktien stehen am Scheideweg

Die anfängliche Markteuphorie hat jüngst etwas nachgelassen, unseres Erachtens bestehen aber nach wie vor starke Argumente für ein stärkeres Wirtschaftswachstum in der Region, das Chancen für europäische Aktien als Ganzes bereithalten dürfte. Das anhaltend schwächere Wachstum hat die Wertentwicklung europäischer Aktien im Vergleich zu ihren US-Pendants in den letzten Jahren beeinträchtigt. Mittlerweile zeichnet sich aber eine Umkehr dieser Trends ab, wobei sich die wirtschaftlichen Frühindikatoren in Europa verbessern, während jene in den USA rückläufig zu sein scheinen. Dies legt unseres Erachtens nahe, dass es sich hierbei nicht um eine kurzlebige Aufwärtsbewegung, sondern um eine reale mittelfristige Gelegenheit handelt. Wir erkennen eine Vielzahl an Unternehmen, denen neuerliche Investitionen zugutekommen können, wobei solche mit Fokus auf den Binnenmarkt am besten positioniert sind, um im Laufe der Zeit hiervon zu profitieren.

Auf Sektorebene dürften sich vor allem jene Bereiche hervortun, die von den Anlegern traditionell als „alte Wirtschaftssegmente“ erachtet werden – seien dies Lieferanten von Rohmaterialien, Ingenieurs- und Bauunternehmen, Personaldienstleister oder Industriekonzerne, die Ausrüstung und Energie bereitstellen. Viele dieser Branchen weisen auch einen Bezug zu den erwarteten höheren Verteidigungsausgaben auf, auf die die Aktienkurse zunächst am stärksten reagierten. Chancen erkennen wir auch bei europäischen Small- und Mid-Cap-Unternehmen, die sich seit dem Höchststand im Jahr 2021 wirklich schwergetan haben.

Fazit

Wir stehen noch am Anfang. Es sind noch viele Einzelheiten und Implikationen zu klären, und eine effektive Umsetzung der Investitionen ist oftmals wesentlich wichtiger als deren tatsächlich Höhe. Obschon nach wie vor enorme Herausforderungen bestehen, geht Europa – und insbesondere die EU – in der Regel geeinter aus Krisen hervor. Aufgrund des aktuellen geopolitischen Umfelds haben sich Deutschland und Frankreich, die zwei größten Volkswirtschaften in der EU, in vielen wesentlichen Punkten stärker angenähert als dies in den letzten Jahrzehnten der Fall war. Auch Nicht-EU-Länder wie das Vereinigte Königreich und Norwegen scheinen so eng zusammenzurücken wie seit vielen Jahren nicht mehr, da die Handelsdrohungen seitens der USA und die aggressive Haltung Russlands dazu beitragen, Europa im Angesicht gemeinsamer Risiken zusammenzuschweißen. Diese Faktoren dürften die Entscheidungsfindung verbessern und beschleunigen. Unserer Ansicht nach sollte der Wandel in Europa keinesfalls unterschätzt werden, da dieser das Fundament für eine von stärkerem Wirtschaftswachstum und solider Wertentwicklung bei europäischen Aktien geprägten Phase legen könnte.



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