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Dieser Artikel wurde ursprünglich im LinkedIn Newsletter „Global Market Perspectives“ von Stephen Dover veröffentlicht. Folgen Sie Stephen Dover auf LinkedIn, wo er seine Gedanken und Kommentare sowie seinen Newsletter mit globalen Marktperspektiven veröffentlicht.

Kernpunkte:

  • Weniger als fünf Wochen vor dem Gang zur Urne am 5. November sind der Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen und die Mehrheitsverhältnisse im Senat und im Repräsentantenhaus noch nicht abzusehen. Wahrscheinlich wird es eine gespaltene Regierung in Washington, D.C., geben, bei der keine einzelne Partei das Weiße Haus, den Senat und das Repräsentantenhaus kontrolliert.
  • Die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen werden in wichtigen „Swing States“ wahrscheinlich äußerst knapp ausfallen – und möglicherweise auch für die Mehrheitsverhältnisse im Senat und im Repräsentantenhaus. Es könnte eine Zeit der Ungewissheit mit Neuauszählungen und gerichtlich angefochtenen Ergebnissen bevorstehen.
  • Anleger sollten sich auf Ungewissheit und mögliche Volatilitätsschübe vor und nach dem Wahltag einstellen. Es ist durchaus möglich, dass der Ausgang der Präsidentschaftswahlen erst nach Ablauf der Zertifizierungsfrist am 17. Dezember feststeht.

Die Situation ist nicht neu

Bei den US-Wahlen im Jahr 2020 wurden die Präsidentschaftswahlen sowie die Mehrheitsverhältnisse im Senat und im Repräsentantenhaus durch hauchdünne Mehrheiten entschieden. Obwohl Präsident Joe Biden 2020 mit einer komfortablen Mehrheit im Wahlausschuss (Electoral College, 306:232) und in der Volksabstimmung (vier Prozentpunkte Vorsprung) gewählt wurde, war sein Abstand in den wichtigsten umkämpften Staaten viel, viel kleiner. Biden gewann in Arizona mit weniger als 10.500 Stimmen, in Georgia mit knapp 12.000 Stimmen und in Wisconsin mit gut 20.000 Stimmen. Ohne diese drei Bundesstaaten wäre die Wahl mit 269 Electoral-College-Stimmen für beide Kandidaten unentschieden ausgegangen, und das Ergebnis wäre im Repräsentantenhaus ermittelt worden.

Kurz gesagt: Biden gewann die US-Präsidentschaft mit weniger als 50.000 Stimmen von insgesamt mehr als 155 Millionen – eine Marge von 0,032 %.

So ist die Lage der Nation – oder zumindest der manchmal schwer zu durchschauende Verfassungsmechanismus zur Präsidentenwahl durch das Electoral College.

Heute deuten Umfragen und Futures-Märkte auf ein Rennen hin, das wie schon 2020 noch nicht abzusehen ist. Die Margen in zusammengefassten Umfragen zur Volksabstimmung bewegen sich größtenteils in statistisch unbedeutenden Bereichen, ebenso wie die in den sieben wichtigen Swing States Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, North Carolina, Pennsylvania und Wisconsin. Einige Spread-Betting-Sites1 zeigen einen kleinen, aber schrumpfenden Vorsprung für Harris. Die weithin beachtete Website 5382, die Umfragen zusammenfasst und Wahrscheinlichkeitsspannen ermittelt, hält die Wahl für „zu knapp, um das Ergebnis vorherzusagen“.

Der Wettkampf um den Senat und das Repräsentantenhaus ist auch nicht viel klarer. Nach Angaben der Iowa Electronic Markets3 beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass die Demokraten die Kontrolle über das Repräsentantenhaus erlangen, derzeit 78 %. Nach demselben Maßstab werden die Chancen der Republikaner, die Mehrheit im US-Senat zu erringen, auf 68 % geschätzt. Diese Wahrscheinlichkeiten sind zwar höher als die vergleichbaren Quoten für den Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen, spiegeln aber auch die extrem geringen Siegesmargen wider: Die Mehrheiten im Kongress werden vielleicht durch einen einzigen Sitz im Senat und nur ein halbes Dutzend Sitze im Repräsentantenhaus entschieden.

Kurz gesagt: Einen guten Monat vor dem Wahltag ist noch alles offen.

Die Ungewissheit wird andauern

Das legt nahe, dass die Ungewissheit über den Wahltag hinaus andauern könnte. Es sei daran erinnert, dass es nach den Wahlen im Jahr 2020 eine ganze Woche dauerte, bis unabhängige Quellen den Gewinner der Präsidentschaftswahlen feststellten, und dass das Zertifizierungsverfahren nach umfangreichen gerichtlichen Anfechtungen erst Mitte Dezember abgeschlossen werden konnte. Die Mehrheit im Senat stand erst Anfang Januar des Jahres 2021 fest, wenn auch aufgrund von Sonderwahlen zum Senat in Georgia.

Rechtsstreitigkeiten, von denen einige bereits eingeleitet wurden, tragen zur Ungewissheit bei. Neuauszählungen, Verzögerungen und Streitigkeiten über die Bestätigung der Ergebnisse sowie Gerichtsprozesse sind bei knappen Wahlergebnissen praktisch vorprogrammiert. Die verschiedenen rechtlichen und verfahrenstechnischen Anfechtungen werden wahrscheinlich mindestens bis zum 17. Dezember andauern, dem Stichtag für die staatliche Bestätigung der Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen und die offizielle Nominierung der Wahlmänner und Wahlfrauen für die Bestätigung durch den Kongress am 6. Januar 2025.

In einigen Bundesstaaten ist die Gefahr von Rechtsstreitigkeiten und politischen Auseinandersetzungen noch größer geworden. Nach 2020 verabschiedeten Gesetzen sind Wahlbeamte in Georgia verpflichtet, das Wahlergebnis in angemessener Weise zu prüfen, während in Pennsylvania Anträge auf Neuauszählung von nur drei registrierten Wählern gestellt werden können. Der Spielraum für Verzögerungen und Unklarheiten liegt auf der Hand.

Wie Anleger vorgehen sollten

Wie wir bereits erläutert haben, wirkt sich die Zusammensetzung der US-Bundesregierung – geeinte oder gespaltene Regierung, demokratische oder republikanische Präsidentschaft – auf lange Sicht kaum bis gar nicht auf die Renditen an den Aktien- und Rentenmärkten aus. Erfahrungsgemäß sind Fundamentaldaten wie Wachstum, Inflation und Unternehmensgewinne die wichtigsten Treiber, nicht die politische Ausrichtung in Washington.

Aber keine Wahl gleicht der anderen. Eine knappe Wahl, bei der Differenzen vor Gericht und in der öffentlichen Meinung ausgefochten werden, erinnert nicht nur an 2020, sondern auch an das Jahr 2000. Vor 24 Jahren entschied der Oberste Gerichtshof mit 5:4 Stimmen, dass George W. Bush die Wahl gewinnt. Damals, als der Oberste Gerichtshof noch überparteiliche Glaubwürdigkeit und Legitimität genoss – was heute nicht mehr der Fall ist – wurde das Urteil vom Verlierer, dem ehemaligen Vizepräsidenten Al Gore, und seinen Anhängern akzeptiert. Werden Anleger nach dem 6. Januar 2020 und angesichts eines Obersten Gerichtshofs, der das geringste öffentliche Ansehen in der Geschichte der USA aufweist, das gleiche Vertrauen haben, dass die unterlegene Seite ein vor dem höchsten Gericht der Nation entschiedenes Wahlergebnis bereitwillig akzeptiert?

In den letzten zehn Jahren haben die Märkte die Augen vor dem Verfall der politischen Institutionen in den USA verschlossen. Bislang hat sich diese Einstellung als richtig erwiesen: Tatsächlich haben die Märkte seit 2015 Renditen erbracht, die über den Erwartungen aufgrund der Fundamentaldaten lagen.

Eine moderne Wirtschaft erfordert jedoch nicht nur Rechtsstaatlichkeit, sondern auch deren breite Akzeptanz. Sie setzt Vertrauen voraus, dass Normen eingehalten werden und dass sich der durch Wahlen zum Ausdruck gebrachte Wille des Volkes durchsetzen wird. Wenn diese Grundlagen der politischen Stabilität durch eine umstrittene Wahl auf die Probe gestellt werden, bei der der Verlierer die Rechtsstaatlichkeit nicht akzeptiert, steht unserer Meinung nach auch die Devise, dass „die Märkte von den Fundamentaldaten bestimmt werden“, auf dem Prüfstand.

Schlussfolgerungen für Anleger

Anleger wie auch Bürger bevorzugen eine faire Wahlentscheidung, bei der die demokratischen Kräfte ihren Lauf nehmen. Sollte das am 5. November 2024 der Fall sein, dürften die Märkte aufatmen und mit der Auswahl von Gewinnern und Verlierern beginnen, die die politischen Präferenzen der Amtsinhaber im Jahr 2025 widerspiegeln.

Wenn das eintritt, bleiben unsere grundlegenden Schlussfolgerungen für Anleger unverändert. Diese lauten wie folgt:

Anlegern ist eine gespaltene Regierung oft willkommen, da dadurch zumeist die Unsicherheit abnimmt. Der Spielraum für umfangreiche Änderungen der Steuergesetze oder der Regulierungspolitik ist durch die Notwendigkeit von Kompromissen begrenzt. Der Status quo bleibt normalerweise bestehen – Unternehmen und Anleger können Entscheidungen treffen, ohne größere steuerliche oder aufsichtsrechtliche Änderungen in Betracht ziehen zu müssen.

Eine gespaltene Regierung kann einen Abbau des Defizits ermöglichen, wie es in den Jahren 1994–2000 und erneut 2010–2016 der Fall war. Anleiheinvestoren könnten daher Grund haben, politischen Wettbewerb in Washington als Mechanismus zum Abbau von Defizit und Schuldenlast zu begrüßen.

 Eine gespaltene Regierung könnte das politische Ausfallrisiko steigen lassen. Regierungsstillstände und die Gefahr, dass das Finanzministerium Zinszahlungen für Staatsschulden nicht leisten kann, waren ein Grund zur Sorge, als aufgrund von Pattsituationen die Schuldenobergrenze der USA nicht erhöht werden konnte.

Die Renditen von US-Staatsanleihen und die allgemeine Richtung der Zinsen werden in erster Linie durch den Konjunkturzyklus (Wachstum und Inflation) und die entsprechende Politik der Federal Reserve bestimmt. Solange keine waghalsigen politischen Entscheidungen getroffen werden, dürften das Defizit und die Schuldenlast der US-Regierung für Anleiheinvestoren von untergeordneter Bedeutung bleiben.

Bei Aktien bestimmen Bewertungen und Gewinne die Renditen. Eine Erhöhung des Körperschaftssteuersatzes (Harris befürwortet eine Anhebung von 21 % auf 28 %) würde die Unternehmensgewinne nach Steuern senken. Trump hingegen würde eine Herabsetzung des Körperschaftssteuersatzes (von 21 % auf 15 %) anstreben, wodurch die Unternehmensgewinne nach Steuern steigen würden. Allerdings würden sich alle Präsidenten schwer tun, in einem gespaltenen Kongress Änderungen durchzusetzen, sodass wir weniger extreme Ergebnisse für wahrscheinlich halten.  

Der wichtigere Aspekt für Aktienanleger ist unseres Erachtens die Regulierung, die hauptsächlich in der Verantwortung des Präsidenten bzw. der Präsidentin liegt. Harris und die Demokraten werden sich für eine stärkere Regulierung fossiler Energieträger und der Pharmaindustrie einsetzen (etwa für weitere Preisobergrenzen für verschreibungspflichtige Medikamente) und gleichzeitig alternative Energien fördern. Bei einer Präsidentschaft von Trump wäre wohl das Gegenteil der Fall.

Der US-Dollar könnte bei einem Sieg von Trump anfällig sein, wenn das Ergebnis die Auferlegung hoher, weitreichender Zölle ist. Wenn andere Länder dagegenhalten, könnte das Risiko eines Handelskriegs die Risikoprämien in die Höhe treiben. Für den Aktienmarkt insgesamt ist das wahrscheinlich negativ (für bestimmte Unternehmen jedoch positiv) und könnte dazu führen, dass sich der Markt auf Werte fokussiert, die Anleger als sichere Häfen betrachten.

Man sollte die Kartellpolitik im Auge behalten. Beide Parteien und ihre Präsidentschaftskandidaten haben Vorbehalte gegen die geballte Macht von Unternehmen geäußert. Tech-Titanen sehen sich bereits mit kartellrechtlichen Maßnahmen konfrontiert, und beide Regierungen könnten das noch weiter vorantreiben.



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