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Die Zinssätze sind aktuell so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Dadadurch ergeben sich Risiken wie auch Chancen an den öffentlichen und privaten Kreditmärkten. Das, was der ehemalige Chef der US-Notenbank (Fed), Dr. Ben Bernanke, in seinem Vortrag anlässlich seiner Auszeichnung mit dem Wirtschaftsnobelpreis sagte, ist relevanter denn je:

„Laut der Hypotheke des Kreditkanals der Geldpolitik (Bernanke und Gertler, 1995) kann die Geldpolitik die externe Finanzierungsprämie erhöhen oder senken, indem (1) das Nettovermögen und die Cashflows der Kreditnehmer beeinflusst werden und (2) das Bankkapital und die Kapitalbeschaffungskosten der Banken beeinflusst werden.“

Zur Erläuterung: Die externe Finanzierungsprämie wird im Wesentlichen durch die Credit Spreads oder die zusätzliche Prämie einer Anleihe oder eines Darlehens gegenüber Zinstiteln der US-Regierung mit ähnlicher Laufzeit abgebildet.

Und zum allgemeinen Verständnis: Das Nettovermögen des Emittenten ist einer der wichtigsten Faktoren, die die vom Kreditgeber verlangte Prämie bestimmen. Zudem verlangen die Kreditgeber höhere Prämien, wenn das Nettovermögen des Kreditnehmers Schwankungen oder Unsicherheit unterworfen ist. Wenn also das Nettovermögen des Kreditgebers oder der Bank zurückgeht, während die Finanzierungskosten steigen, kann dies die negativen Auswirkungen der Geldpolitik auf die Vermögensbewertungen und die Wirtschaft beschleunigen.

Nimmt des Vertrauen der Kreditgeber ab und nähern sich die Erwartungen hinsichtlich der Entwicklung des Vermögens der Kreditnehmer ihrem Schuldenstand an (d. h. das Nettovermögen nähert sich dem Wert von Null), nehmen die Ausfälle zu und Ökonomen werden ihre Prognosen für Wachstum und Beschäftigung nach unten korrigieren. Dieser Wendepunkt, der die Vermögensbewertungen ins Negative drehen kann, kann schneller erreicht sein als erwartet. Das macht einen aktiven Managementansatz für die Kreditmärkte so attraktiv, vor allem, da ein passiver Ansatz nicht auf die Vermeidung von Ausfallverlusten abzielt.

Höhere Zinssätze und geringeres Nettovermögen der Kreditnehmer

Das erste Mal seit knapp 15 Jahren liegt der US-Leitzins (Fed Funds Rate) über 5 %. Die direkten Auswirkungen des Leitzinses auf den privaten Sektor sind unterschiedlich, aber der Markt für syndizierte Bankkredite bietet stellvertretend Einblicke in die Sensitivität der Cashflows und des Nettovermögens öffentlicher und privater Unternehmen gegenüber den Leitzinsen, so Dr. Bernanke in seinem Nobelpreis-Vortrag. Zur Erläuterung: Der Markt für Bankkredite (Bank Loans) bildet variabel verzinsliche Wertpapiere von über 1.000 Emittenten aus 18 Branchen ab (gemäß dem S&P LST S&P/LSTA Leveraged Loan Index per 29. September 2023). Üblicherweise zahlen private Unternehmen, die sich direkt Geld bei bankfremden Kreditgebern beschaffen (anstatt über ein Bankkonsortium), variable bzw. anpassbare Zinsen, sodass einige der Erkenntnisse aus der Analyse sowohl für private als auch für öffentliche Märkte gelten.

Als die Fed ihren Leitzins in den Jahren 2022 und 2023 erhöhte, konnten einige Unternehmen den höheren Zinsaufwand und andere Kosten auf ihre Kunden abwälzen, aber im Schnitt ging das Nettovermögen der Unternehmen zurück, trotz einer gewissen Cashflow-Stabilität. Die Analyse einer großen Stichprobe von Emittenten börsennotierter Aktien zeigt, dass die durchschnittliche Unternehmensbewertung, ausgedrückt als Unternehmenswert (EV) im Verhältnis zum EBITDA, von 13,4 im 4. Quartal 2021 auf 10,2 im 2. Quartal 2023 zurückgegangen ist. Dieser Rückgang um 24 % bei den Bewertungen fiel mit einem Anstieg der durchschnittlichen vierteljährlichen Fed Funds Rate von rund 0 % auf 4 % in dem Zeitraum zusammen. In den kommenden Quartalen dürfte ein Durchschnittswert von 5 % erreicht werden, wenn sich der Leitzins auf seinem jetzigen Niveau einpendelt oder steigt.

Abbildung 1: Leitzinsen beeinflussen Nettovermögen der Kreditnehmer

Quellen: Capital IQ, Morgan Stanley, Federal Reserve. Stand: 29. September 2023.

Wenngleich sich die Vermögenskennzahlen im Jahr 2007 auf einem ähnlichen Niveau wie heute bewegten (5 % durchschnittlicher Leitzins), ist der durchschnittliche Anlagendeckungsgrad heute aufgrund höherer Schuldenstände niedriger. Zur Erläuterung: Der Anlagendeckungsgrad beschreibt den Unternehmenswert (EV) im Verhältnis zur Verschuldung des Unternehmens. Nimmt der Unternehmenswert infolge einer rückläufigen Eigenkapitalquote oder geringerer Gewinne ab, nimmt auch das Nettovermögen ab. Abbildung 2 zeigt einen starken Zusammenhang zwischen Anlagendeckungsgrad und der von den Kreditgebern verlangten Prämie. Wie in Abbildung 2 zu sehen ist, sind die Vermögenskennzahlen im 4. Quartal 2021 zurückgegangen, da sich die Anleger Sorgen über eine Abkühlung des Wachstums machten. Der Anlagendeckungsgrad hingegen verbesserte sich kürzlich, da das Vertrauen wieder zunimmt und die Kennzahlen besser werden.

Abbildung 2: Finanzierungskosten steigen, wenn Anlagendeckungsgrad und Nettovermögen abnehmen

Quellen: Capital IQ, Morgan Stanley, JPMorgan. Stand: 29. September 2023.

Wo liegen die Risiken?

An öffentlichen Kreditmärkten ist es für Anleger mitunter transparenter, wenn die Bewertungen des Vermögens eines Unternehmens sich in Richtung ihres Schuldenstands bewegen. Der Wendepunkt – wenn das Ausfallrisiko sehr hoch ist – ist dann erreicht, wenn die Vermögensbewertung unter den Schuldenstand fällt, was ein negatives Nettovermögen impliziert. Ohne neues Eigenkapital verhandelt der Kreditnehmer in der Regel mit seinem Geldgeber oder es droht ein Zahlungsausfall. Es sei darauf hingewiesen, dass sich die Zahl der Ausfälle deutlich erhöht hat, vor allem bei kleineren Unternehmen, die ihre kurzfristigen Verbindlichkeiten refinanzieren müssen.

Wie neulich in einem anderen Blogbeitrag erläutert, in dem über Minskys Theorie zu Vermögenspreisen und der Wirtschaft gesprochen wurde, sind viele der größeren Unternehmen am Markt für öffentliche Bankkredite nicht so sehr darauf angewiesen, ihre Schulden bis Ende 2024 zu refinanzieren. Dagegen war der Refinanzierungsbedarf von kleineren Unternehmen, die sich an privaten Märkten Kapital beschaffen, knapp dreimal so hoch. Die Refinanzierung kann ein Katalysator für Kreditgeber sein, die Konditionen der vor Jahren geschlossenen Kreditverträge anzupassen, sie kann aber auch ein Auslöser für mehr Ausfälle sein. Dem Proskauer Index (Stand: 2. Quartal 2023) zufolge lag die Ausfallquote bei kleineren Unternehmen, die das Segment der mittelgroßen Kreditnehmer widerspiegeln, in den letzten vier Quartalen im Durchschnitt über 7 % – im gleichen Zeitraum waren es am Markt für Bankkredite den Daten von Moody’s zufolge rund 4 %.

Was die Finanzierungskosten der Banken und das Bankkapital anbelangt – der andere Faktor in der Hypothese des Kreditkanals der Geldpolitik –, so war der Anstieg der Ausfallquote bei den Kreditnehmern noch nicht so bedeutend, als dass sich die Verschärfung der Kreditkonditionen in der übrigen Wirtschaft beschleunigt hätte. Wie kürzlich in einer anderen Publikation erläutert, die sich mit den Auswirkungen höherer Zinsen und Kreditverluste im Immobiliensektor befasste, haben viele der multinationalen und großen Regionalbanken deutlich mehr Eigenkapital als in früheren Jahrzehnten. Dadurch ist das Risiko geringer, dass sie ihre Kredite aufgrund fehlenden Eigenkapitals nicht mehr zurückzahlen können. Während höhere Finanzierungskosten für Banken und potenziell höhere regulatorische Hürden für Regionalbanken den Zugang zu Kapital für einige Kreditnehmer erschwert haben, bieten sich bankfremden Kreditgebern deutlich mehr Anlagechancen. Das Wachstum bankfremder Kreditgeber im Bereich der Kreditvermittlung und ihr Vertrauen darauf, dass bestehende Kreditnehmer sich refinanzieren und neue Kredite aufnehmen, erklärt vielleicht einen Teil des bei Banken zu beobachtenden Misverhältnisses zwischen strengen Kreditvergabestandards und Vertrauen hinsichtlich der Entwicklung des Nettovermögens der Unternehmen (Abbildung 3).

Abbildung 3: Implizites Vertrauen ist relativ hoch, trotz der strengeren Standards der Banken

Quellen: Federal Reserve, Haver Analytics. Stand: 29. September 2023.

Wo liegen die Chancen?

Festverzinsliche Anlagen, insbesondere Anleihen, bieten langfristig orientierten Anlegern aktienähnliche Renditen an den Kreditmärkten – was seit 15 Jahren nicht mehr der Fall war –, und das unserer Meinung nach auch noch zu einem deutlich niedrigeren Risiko. Unsere Top-down- und Bottom-up-Analysen deuten darauf hin, dass es immer noch bedeutendes Nettovermögen, Cashflow-Generierung und Kapitalverfügbarkeit gibt, um einer Rezession zu entgehen – sofern wir uns an Konzepten der letztjährigen Nobelpreisgewinner orientieren. Mit anderen Worten, der Anlagendeckungsgrad bleibt relativ hoch, und wenn die Vermögensbewertungen oder das Vertrauen leicht zurückgehen, werden dadurch nicht die Auswirkungen der ohnehin schon straffen Geldpolitik beschleunigt oder die Wirtschaft in eine Rezession gedrängt.

Nach unserem Dafürhalten werden die Vorteile eines aktiven Managements an den Kreditmärkten im aktuellen Klima womöglich unterschätzt, vor allem, da die Ausfälle zunehmen und ein leichtes Kippen des Vertrauens zu höheren Risikoprämien für Aktien, einem niedrigeren Anlagendeckungsgrad und einer steigenden Ausfallquote führen könnte und die Frage aufwirft, wie widerstandsfähig die US-Wirtschaft gegenüber höheren Realzinsen ist.

Wir sehen mehr Chancen in Sektoren mit einem guten Anlagendeckungsgrad, Preissetzungsmacht und einer geringeren Sensitivität gegenüber höheren Zinssätzen. Am öffentlichen Kreditmarkt sehen wir bessere Chancen bei kürzer laufenden High-Yield- und Investment-Grade-Unternehmensanleihen, nicht qualifizierten Hypothekenwerten und hochwertigen Collateralized Loan Obligations (CLO).

Am privaten Kreditmarkt sehen wir Chancen im Immobiliensektor, bei forderungsbesicherten Wertpapieren (ABS) und CLO-Equity. Außerdem ergeben sich zunehmend Chancen in Form einer Zusammenarbeit mit Versicherungsgesellschaften zur Finanzierung kleinerer privater Unternehmen, für die der Zugang zu Kapital von Venture-Capital-Gesellschaften und Banken relativ teuer geworden ist.



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