„Wie ein sehr erfolgreicher Anleger einmal sagte: ‚Das bärische Argument klingt immer intelligenter.‘“
Wie wir beim Erholungsverlauf der großen Inflation in den 80er Jahren gesehen haben, kann sich der Desinflationsprozess ungleichmäßig abspielen und Zeit in Anspruch nehmen. Der Markt geht derzeit davon aus, dass die Inflationsverbesserung ihren Lauf genommen hat, aber einen ähnlich ungleichmäßigen Prozess durchlaufen könnte. Vor diesem Hintergrund sind die langfristigen Renditen wieder auf ihre Höchststände angestiegen. Insgesamt untermauern die restriktiveren Kreditbedingungen, die schwierige Lage der Verbraucher, das schwächere globale Wachstum und die geringere Inflation abflauende Inflationstrends. Wir gehen davon aus, dass die kurzfristigen Zinsen im Laufe der Zeit gesenkt werden und die Aussichten für zahlreiche festverzinsliche Sektoren günstig sein werden.
Wesentliche Erkenntnisse
- In Bezug auf die Inflation sind wir der Ansicht, dass der Rückgang der Gesamt- und Kerninflationsraten, der bereits zu den schnellsten in der Geschichte gehört, weiter voranschreiten und von Dauer sein wird.
- Der Arbeitsmarkt und finanzpolitische Fragen sind unmittelbare Hemmnisse für die Zinsaussichten. Die jüngste Umfrage zu den Stellenangeboten und zur Fluktuationsrate (JOLTS-Bericht) zeigt eine stark rückläufige Tendenz, und die Kündigungsrate ist auf das Niveau vor der Pandemie zurückgekehrt, was auf eine Abschwächung des Drucks am Arbeitsmarkt hindeutet.
- Außerhalb der USA bleiben wir optimistisch, was die Aussichten für die Schwellenländer (EM), insbesondere in Lateinamerika, betrifft. China ist zwar zu einer Quelle eines leichten globalen Deflationsdrucks geworden, wir glauben aber weiterhin, dass sich die chinesische Wirtschaft als widerstandsfähig erweisen wird.
Im Jahr 1981 brach die Federal Reserve (Fed) unter Paul Volcker der Inflation bekanntermaßen das Genick. Die 30-jährige Staatsanleihe erreichte ihren Höchststand bei knapp über 14 %.1 Der Anleihemarkt blieb jedoch sehr skeptisch, was eine grundlegende Verbesserung der Inflation anging, und die 30-jährige Staatsanleihe erreichte im Frühjahr 1984 erneut 14 %.2 Die Wirtschaft hatte sich als bemerkenswert widerstandsfähig erwiesen, die Reagan-Steuersenkungen und die militärische Aufrüstung sorgten für einen kräftigen fiskalischen Schub und die Möglichkeit, dass der Rückgang der Inflation mehr als nur vorübergehend sein könnte, wurde weithin verworfen. Im weiteren Verlauf der 80er und 90er Jahre verzeichnete die Wirtschaft ein sehr robustes Wachstum. Dennoch stellte dies eine außergewöhnliche Kaufgelegenheit dar, da der Rückgang der Inflation anhielt und die langfristigen Zinssätze stetig sanken.
Betrachten wir nun das vergangene Jahr: Der Anstieg der Kernrate des Verbraucherpreisindex (VPI) kletterte nach der Coronapandemie im September 2022 auf seinen Höhepunkt, im November hatten Anleihen offenbar ihren Tiefpunkt erreicht. Die Ursachen der Inflation waren vielfältig – Covid-bedingte monetäre Anreize und Konjunkturprogramme, massive Angebotsschocks und der Rohstoffanstieg in Kombination mit dem Ukraine-Krieg. Nun hat sich die Geldpolitik von einem Rückenwind in einen stürmischen Gegenwind gewandelt, während die Versorgungsketten nahezu vollständig wiederhergestellt sind und die Rohstoffpreise sich ihrem Vorkriegsniveau nähern. Doch die Wirtschaft bleibt widerstandsfähig. Der fiskalische Schub hält trotz eines stabilen Arbeitsmarktes an. Und an den Märkten hat sich die Meinung durchgesetzt, dass der Anstieg der Inflation seinen Lauf genommen hat und „hartnäckig“ bleiben wird. Vor diesem Hintergrund sind die langfristigen Renditen wieder auf ihre Höchststände angestiegen.
Der Arbeitsmarkt und finanzpolitische Fragen sind unmittelbare Hemmnisse für die Zinsaussichten. Mit Blick auf die Zukunft gibt es jedoch an beiden Fronten Raum für Optimismus. Der Arbeitsmarkt ist mit einer Arbeitslosenquote von 3,5 % angespannt.3 Die Fed hat sich einhellig besorgt über die Aussicht auf eine Lohnpreisspirale geäußert, wenn sich die Lage am Arbeitsmarkt nicht entspannt. Der oft zitierte JOLTS-Bericht des Fed-Vorsitzenden Jerome Powell zeigt jedoch eine stark rückläufige Entwicklung (siehe Abbildung 1). Ebenso wichtig ist, dass die Kündigungsrate wieder auf das Niveau von vor der Pandemie zurückgegangen ist. In seiner Jackson Hole-Rede am 25. August betonte Powell den Indeed Lohn-Tracker, der ebenfalls einen bedeutenden Rückgang verzeichnete. Diese Trends deuten stark auf eine Abschwächung des Arbeitsdrucks hin.

An der fiskalischen Front sind wir der Ansicht, dass die erhöhten Ausgaben aufgrund des ironisch benannten Inflationsbekämpfungsgesetzes (Inflation Reduction Act) in Verbindung mit dem Erlass von Studentenkrediten und dem Ausbleiben von Kapitalertragssteuereinnahmen das Defizit und damit auch das Niveau der Emission von Staatsanleihen erhöht haben. Im nächsten Jahr werden alle drei Faktoren deutlich nachgelassen haben.
In Bezug auf die Inflation sind wir der Ansicht, dass der Rückgang der Gesamt- und Kerninflationsraten, der bereits zu den schnellsten in der Geschichte gehört, weiter voranschreiten und von Dauer sein wird. Die Fiskalpolitik ist zu locker und die Arbeitsmärkte sind fest. Die Politik der Fed bleibt restriktiv. Längerfristig jedoch verstärken die restriktiveren Kreditbedingungen, ein stärker belasteter Verbraucher, das schwächere globale Wachstum und die schwächere Inflation zusammen die sich bereits verlangsamenden Inflationstrends. Nimmt man die disinflationären Triebkräfte aus der Zeit vor der Covid-Krise hinzu, nämlich die hohe globale Verschuldung, die demografische Entwicklung und die Technologie, so ist die Möglichkeit, dass wir im Laufe der Jahre eine ganz andere Dynamik erleben werden, unserer Ansicht nach mehr als nur plausibel. Aber genau wie wir beim Erholungsverlauf der großen Inflation in den 80er Jahren gesehen haben, wird dieser Prozess wahrscheinlich sehr ungleichmäßig verlaufen und Zeit in Anspruch nehmen. Ähnlich verhält es sich mit der Inflationangst, die nur sehr langsam aus der Marktpsychologie verschwindet.
Zu Beginn des Jahres waren viele der Meinung, dass Spread-Produkte aufgrund der allgemeinen Einschätzung einer Abkühlung des Wachstums gemieden werden sollten. Doch mit dem Rückgang der Inflation hat sich auch das US-Wachstum erholt, und die Performance der Spread-Sektoren war unserer Meinung nach hervorragend (siehe Abbildung 2). Besonders hervorzuheben möchten wir die außergewöhnliche Performance von Schwellenländeranleihen in lokaler Währung. Wir sind weiterhin optimistisch, was die Aussichten für die Schwellenländer, insbesondere in Lateinamerika, betrifft. Der Komplex der Schwellenländer hat in diesem Zyklus ihre Geldpolitik deutlich früher als die Entwicklungsländer gestrafft. Hohe Zinssätze, die Aussicht auf sinkende Zinssätze und vor allem die sich möglicherweise verbessernden Währungen waren allesamt von Vorteil.

Quelle: Bloomberg, Citi, J.P. Morgan, S&P Global Market Intelligence, ein Geschäftsbereich von S&P Global Inc, Western Asset. European Banks (CoCo) wird durch den Bloomberg Euro Contingent Capital Index repräsentiert, der die Wertentwicklung von auf Euro lautenden bedingten Kapitalanleihen (Contingent Capital Securities) von Emittenten aus dem Europäischen Wirtschaftsraum misst. US CMBS werden durch den Bloomberg Erisa Eligible Index repräsentiert, der hypothekenbesicherte Wertpapiere (CMBS) abbildet, die mit dem Employee Retirement Income Security Act von 1974 konform sind. US MBS wird durch den Bloomberg US Mortgage-Backed Securities (MBS) Index repräsentiert, der festverzinsliche hypothekenbesicherte Agency-Pass-Through-Wertpapiere abbildet, die von Ginnie Mae, Fannie Mae und Freddie garantiert werden. Euro IG (Investment Grade) Credit wird durch den Bloomberg Pan-European Aggregate Bond Index repräsentiert, der festverzinsliche Wertpapiere mit Investment-Grade-Einstufung in mehreren europäischen Währungen misst. US IG (Investment Grade) Credit wird durch die IG-Komponente des Bloomberg US Corporate Index repräsentiert. Australia IG (Investment Grade) Credit wird durch die Australia IG-Komponente des Bloomberg Global Aggregate Corporate Index repräsentiert. UK IG (Investment Grade) Credit wird durch die UK IG-Komponente des Bloomberg US Corporate Index repräsentiert. EM USD wird durch den JPMorgan Emerging Markets Bond Index Global ("EMBI Global") repräsentiert und bildet die Gesamtrenditen für gehandelte externe Schuldtitel in den Schwellenländern ab. Euro High Yield wird durch den Bloomberg Pan-European High Yield Index repräsentiert, der den Markt für festverzinsliche Unternehmensanleihen ohne Investment Grade misst. US High Yield wird durch den Bloomberg US Corporate High Yield Bond Index repräsentiert, der den auf USD lautenden Markt für hochverzinsliche, festverzinsliche Unternehmensanleihen misst. Emerging market (EM) Local wird durch die lokale Komponente der JPMorgan Government Bond Index-Emerging Markets (GBI-EM) Indizes repräsentiert, die lokale Währungsanleihen von Regierungen der Schwellenländer nachbilden.
¹Überschussrendite des S&P/LSTA Leveraged Loan Total Return Index gegenüber dem 3-Monats-LIBOR. Stand: 31. Juli 2023.
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Der Schlüssel zu diesem Ausblick ist China. Trotz einer Abschwächung des Yuan gegenüber dem Dollar um etwa 15 % sind die chinesischen Erzeugerpreise stark rückläufig und auch die Verbraucherpreise sinken. Die Unfähigkeit der politischen Entscheidungsträger, die Probleme des Immobiliensektors zu beheben, hat das Vertrauen der Anleger erschüttert. Die Politik der Regierung ist nach wie vor stark wachstumsorientiert, aber das Ausmaß der bisher ergriffenen Maßnahmen ist bei weitem nicht ausreichend. Somit ist China zu einer Quelle eines leichten globalen Deflationsdrucks geworden.
Wir sind der Ansicht, dass China mit erheblichen langfristigen Wachstumsherausforderungen konfrontiert ist, die das Land daran hindern werden, auch nur annähernd die Wachstumsraten der Vergangenheit zu erreichen. Aus konjunktureller Sicht ist jedoch, ausgehend von der niedrigen Basis des Covid-Shutdowns im letzten Jahr, ein Wachstum von nahezu 5 % nicht unerreichbar. Wir sind weiterhin der Ansicht, dass sich die chinesische Wirtschaft als widerstandsfähig, aber nicht als dynamisch erweisen wird.
Ein wirtschaftlich langsameres China stellt auch für das europäische Wachstum eine Herausforderung dar. Deutschland befindet sich bereits am Rande einer Rezession. Zugleich liegt die europäische Inflationsrate weiterhin über dem Trend, und die Möglichkeit einer weiteren Zinserhöhung durch die Europäische Zentralbank (EZB) bleibt im Raume stehen. Dennoch sind wir der Meinung, dass wir die letzten Zinserhöhungen in den westlichen Volkswirtschaften erreicht oder bereits hinter uns haben. Das gedämpfte globale Wachstum und die rückläufige Inflation bieten eine Gelegenheit für eine Zinspause in den USA, dem Vereinigten Königreich und Europa.
Im Laufe der Zeit werden die Short-Zinsen vor dem Hintergrund der rückläufigen Inflation schließlich gesenkt werden. Vor diesem Hintergrund sind die Aussichten für eine breite Palette von festverzinslichen Sektoren günstig.
- Quelle: Board of Governors of the Federal Reserve System.
- Quelle: ebd.
- Quelle: US Bureau of Labor Statistics. Stand: 31. Juli 2023.
Definitionen:
Die Kündigungsrate bezieht sich Mitarbeiter, die Unternehmen aus eigenem Antrieb verlassen, im Gegensatz zu Teammitgliedern, die gekündigt oder entlassen werden.
Der Begriff Spread-Produkt bezieht sich auf steuerpflichtige Anleihen, die keine Staatsanleihen sind, und umfasst Wertpapiere wie Agency-Wertpapiere, forderungsbasierte Wertpapiere (Asset-Backed Securities, ABS), Unternehmensanleihen, hochverzinsliche Anleihen und morgage-backed-Wertpapiere.
Der Indeed Lohn-Tracker misst das Wachstum der in Stellenanzeigen ausgeschriebenen Löhne, um politischen Entscheidungsträgern, Arbeitsmarktanalysten, Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu helfen, Lohntrends zu verstehen.
WELCHE RISIKEN GIBT ES?
Die Wertentwicklung der Vergangenheit stellt keine Garantie für die zukünftige Wertentwicklung dar. Indizes werden nicht aktiv gemanagt und es ist nicht möglich, direkt in einen Index zu investieren. Gebühren, Kosten oder Ausgabeaufschläge sind in den Indexrenditen nicht berücksichtigt.
Beteiligungspapiere unterliegen Kursschwankungen und sind mit dem Risiko des Kapitalverlusts verbunden. Festverzinsliche Wertpapiere sind mit Zins-, Kredit-, Inflations- und Wiederanlagerisiken sowie mit dem Risiko eines möglichen Verlusts des Kapitalbetrags verbunden. Wenn die Zinssätze steigen, fällt der Wert von festverzinslichen Wertpapieren. Internationale Anlagen sind mit besonderen Risiken verbunden. Hierzu gehören Währungsschwankungen sowie soziale, wirtschaftliche und politische Unsicherheiten, die zu erhöhter Volatilität führen können. Diese Risiken sind in Schwellenländern noch größer. Rohstoffe und Währungen sind mit erhöhten Risiken verbunden, zu denen unter anderem Marktrisiken und politische Risiken, das Regulierungsrisiko sowie Risiken im Zusammenhang mit naturgegebenen Bedingungen gehören, sodass sie unter Umständen nicht für alle Anleger geeignet sind.
US-Staatsanleihen (Treasuries) sind direkte Schuldverschreibungen, die von der US-Regierung begeben werden und durch ihre uneingeschränkte Kreditwürdigkeit und Steuerhoheit abgesichert sind. Die US-Regierung garantiert die Kapital- und Zinszahlungen auf US-Staatsanleihen, wenn die Wertpapiere bis zur Endfälligkeit gehalten werden. Im Gegensatz zu US-Staatsanleihen sind Schuldtitel, die von Bundesbehörden und Gebietskörperschaften begeben werden, sowie damit verbundene Anlagen nicht unbedingt durch die uneingeschränkte Kreditwürdigkeit und Steuerhoheit der US-Regierung abgesichert. Selbst wenn die US-Regierung die Kapital- und Zinszahlungen auf bestimmte Wertpapiere garantiert, betrifft diese Garantie keine Verluste durch einen gesunkenen Marktwert dieser Wertpapiere.
