AUTOREN

Francis Gannon
Co-Chief Investment Officer, Managing Director
Werden die USA und andere wichtige Wirtschaftsnationen eine Rezession abwenden können? Steht eine weiche oder eine harte Landung bevor?
Seit Ende 2021 scheint eine mögliche Rezession wie ein Damoklesschwert über uns zu hängen. Auch wenn wir nicht vorhersagen können, wann oder ob die Wirtschaft in eine Rezession abgleiten wird, glauben wir doch, dass der Small-Cap-Markt eine Rezession bereits eingepreist hat und viele Unternehmen sich schon seit einiger Zeit auf eine solche Situation vorbereiten.
Wie schätzen Sie die Zins- und Inflationsentwicklung in den USA/den wichtigsten Wirtschaftsnationen im Jahr 2024 ein?
Aus der Vergangenheit wissen wir, dass die Renditen von Small Caps im ersten Jahr der geldpolitischen Straffung durch die US-Notenbank (Fed) in der Regel gut waren. Überraschenderweise verzeichnete der Russell 2000 in den 12 Monaten nach der ersten Zinsanhebung durch die Fed im März 2022 einen Verlust von 11,5 %, während der S&P 500 um 7,0 % nachgab. Die Statistik zeigt, dass die 1- und 3-Jahres-Renditen bei beiden Indizes nach den neun ersten Straffungszyklen durch die Fed in der Vergangenheit überwiegend positiv waren.
Allerdings wissen wir auch, dass die spätere durchschnittliche Einjahresrendite des Russell 2000 Index nach der letzten Zinsanhebung mit durchschnittlich 18,4 % seit Mitte der 1990er Jahre recht hoch ist.
Ist eine Rezession bereits im Markt eingepreist?
1- und 3-Jahres-Wertentwicklung nach der ersten Straffung der Fed (%)
Stand: 30.09.2023

Quellen: Russell Investments. *Unternehmenswert/Gewinn vor Zinsen und Steuern der letzten zwölf Monate. Die Wertentwicklung der Vergangenheit stellt keine Garantie für die zukünftige Wertentwicklung dar.
Welcher Impuls könnte im Jahr 2024 zu einer deutlichen Verschiebung/Erholung in Ihrer Anlageklasse führen?
Small Caps leiden nach wie vor unter einem klassischen Bärenmarkt und sind seit ihrem Höchststand am 8. November 2021 um fast 25 % eingebrochen. Hinzu kommt, dass der Russell 2000 seit weit über 500 Handelstagen nicht mehr auf einem 52-Wochen-Hoch notierte. Das ist die drittlängste Serie in der Geschichte des Index. Auch die letzten Monate sind ähnlich verlaufen. Der Russell 2000 hat bis Ende Oktober drei Monate in Folge nachgegeben und ist um über 16,7 % abgesackt. Unserer Ansicht nach gibt es mehrere potenzielle Auslöser, welcher die Wertentwicklung von Small Caps in Schwung bringen könnten. Dazu gehören das Ende des Zinsanhebungszyklus, eine nachlassende Inflation, ein weiterhin starker Arbeitsmarkt und ein konstanter Konsum. Vielversprechende Elemente, deren Nutzen noch nicht oder nur unzureichend zum Tragen gekommen ist, sind die hohen Investitionsausgaben, das Reshoring-Phänomen, die Wirkung des CHIPS and Science Act und die KI-Anwendungen.
In welchen Bereichen sehen Sie 2024 die besten Anlagechancen?
Entscheidend für uns als Anleger, die Small-Cap-Aktien gezielt nach dem Bottum-up-Ansatz auswählen, ist, dass die meisten Managementteams, mit denen wir gesprochen haben, die langfristige Entwicklung weiterhin vorsichtig optimistisch sehen. Das heißt, auch wenn die kurzfristigen Aussichten so düster sind wie nie zuvor, gibt es genügend positive Aspekte, die uns zu einer sehr zuversichtlichen Einschätzung der langfristigen Renditen von Small Caps veranlassen. Insgesamt sind die Bewertungen für Small-Cap-Aktien attraktiver geworden. Small Caps befanden sich Ende Oktober in einem Bärenmarkt, in dem der Russell 2000 seit seinem letzten Höchststand am 08.11.2021 bis zum Ende des dritten Quartals 30 % an Wert verlor. Bei vielen der von uns analysierten Unternehmen scheint eine Rezession bereits eingepreist zu sein. Sowohl im Hinblick auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) als auch auf den EV/EBIT (Unternehmenswert im Verhältnis zum Gewinn vor Zinsen und Steuern) erscheinen uns viele Small Caps unterbewertet. Verglichen mit Large Caps sind sie sogar noch günstiger. Gemessen am EV/EBIT befanden sich Small Caps im Vergleich zu Large Caps Ende September sogar in der Nähe von 20-Jahres-Tiefstständen. Aus Bewertungssicht erscheinen uns die Chancen bei Small Caps also durchaus überzeugend.
Relative Bewertungen für Small-Caps ggü. Large-Caps in der Nähe ihres niedrigsten Standes seit 25 Jahren
Median-EV/EBIT der letzten zwölf Monate* des Russell 2000 vs. Russell 1000 (ohne Unternehmen mit negativem EBIT)
30.09.1998–30.09.2023

Quellen: FactSet, Russell Investments. *Unternehmenswert/Gewinn vor Zinsen und Steuern der letzten zwölf Monate. Die Wertentwicklung der Vergangenheit stellt keine Garantie für die zukünftige Wertentwicklung dar.
Wir konzentrieren uns auf Qualität und aktives Management bei Small Caps, denn angesichts des stark veränderten Zugangs zu Kapital sind wir der Meinung, dass sich in diesen unsicheren Zeiten bessere Unternehmen weiterhin behaupten werden. Unser Schwerpunkt liegt unverändert auf Industriewerten, Finanzwerten und Informationstechnologie.
In welchen Bereichen bestehen die größten Risiken im Jahr 2024?
Dazu gehören die üblichen Verdächtigen, unter anderem geopolitische Themen, die US-Präsidentschaftswahlen oder ein Crash im Finanzsystem.
Was könnte 2024 für eine große Überraschung an den Märkten sorgen? Oder welche Risikofaktoren/Chancen werden von den Märkten derzeit nicht ausreichend mit Blick auf das Jahr 2024 einkalkuliert?
Wir sind zuversichtlich, dass die Anlageklasse insgesamt kurz vor einer Erholung steht. Im Fünfjahreszeitraum bis zum 30.9.2023 erzielte der Russell 2000 Index eine annualisierte Rendite von nur 2,4 %. Dieses Ergebnis gehört zu den niedrigsten Fünfjahresrenditen seit der Auflegung des Russell 2000 und zeigt, dass viele Small Caps in den letzten fünf Jahren praktisch auf der Stelle getreten sind. Die vergangenen fünf Jahre waren zweifellos eine sehr schwierige Zeit für Small-Cap-Investoren, vor allem im Vergleich zu Large-Caps-Investoren, die im selben Fünfjahreszeitraum deutlich höhere Renditen erwirtschaftet haben. Dennoch sind wir sehr zuversichtlich, was den langfristigen Ausblick anbelangt. Wir haben ja bereits erläutert, dass die unterdurchschnittlichen annualisierten Fünfjahresrenditen des Russell 2000 in der Vergangenheit zu überdurchschnittlichen Renditen in den folgenden fünf Jahren geführt haben. Die annualisierte 5-Jahres-Rendite des Russell 2000 war stets, also in allen 81 Fünfjahreszeiträumen, positiv. Sie lag im Durchschnitt bei 14,9 % und somit deutlich über seiner monatlichen rollierenden Fünfjahresrendite von 10,4 % seit Auflegung.
Definitionen
Der Russell 1000 Index ist ein nicht verwalteter, kapitalisierungsgewichteter Index für inländische Large-Cap-Aktien. Er misst die Wertentwicklung der 1.000 größten börsennotierten US-Unternehmen im Russell 3000 Index.
Der Russell 2000 Index ist ein Index für inländische Small-Cap-Aktien, der die Wertentwicklung der 2.000 kleinsten börsennotierten US-Unternehmen im Russell 3000 Index misst.
Der Standard & Poor's® 500 Index (S&P 500®) ist ein nach der Marktkapitalisierung gewichteter Index, der 500 Titel umfasst und die Wertentwicklung des US-Aktienmarkts als Ganzes erfasst.
Das Kurs-/Gewinnverhältnis (KGV) ist der Kurs einer Aktie geteilt durch den Gewinn je Aktie.
Der Unternehmenswert (EV – Enterprise Value) bezieht sich auf den Gesamtwert eines Unternehmens nach Berücksichtigung von Fremdkapital- und Eigenkapitalgebern.
Die Bewertungskennzahl EV/EBIT ist das Verhältnis zwischen dem Unternehmenswert (EV) und dem Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT).
Das CHIPS and Science Act ist ein US-Bundesgesetz, das vom 117. Kongress der Vereinigten Staaten verabschiedet und von US-Präsident Joe Biden am 9. August 2022 unterzeichnet wurde. Das Gesetz sieht rund 280 Mrd. USD an neuen Finanzmitteln vor, um die inländische Forschung und die Produktion von Halbleitern in den Vereinigten Staaten zu fördern.
WO LIEGEN DIE RISIKEN?
Die Wertentwicklung der Vergangenheit stellt keine Garantie für die zukünftige Wertentwicklung dar. Bitte beachten Sie, dass ein Anleger nicht direkt in einen Index investieren kann. Die Renditen nicht verwalteter Indizes enthalten keine Gebühren, Aufwendungen oder Verkaufsgebühren.
Beteiligungspapiere unterliegen Kursschwankungen und sind mit dem Risiko des Kapitalverlusts verbunden. Festverzinsliche Wertpapiere sind mit Zins-, Kredit-, Inflations- und Wiederanlagerisiken sowie mit dem Risiko eines möglichen Verlusts des Kapitalbetrags verbunden. Wenn die Zinssätze steigen, fällt der Wert von festverzinslichen Wertpapieren. Internationale Anlagen sind mit besonderen Risiken verbunden. Hierzu gehören Währungsschwankungen, gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Unsicherheiten, die zu erhöhter Volatilität führen können. Diese Risiken sind in Schwellenländern noch größer. Rohstoffe und Währungen sind mit erhöhten Risiken verbunden, zu denen unter anderem Marktrisiken und politische Risiken, das Regulierungsrisiko sowie Risiken im Zusammenhang mit naturgegebenen Bedingungen gehören, sodass sie unter Umständen nicht für alle Anleger geeignet sind.
US-Staatsanleihen (Treasuries) sind direkte Schuldverschreibungen, die von der US-Regierung begeben und durch ihre uneingeschränkte Kreditwürdigkeit und Steuerhoheit gesichert werden. Die US-Regierung garantiert die Kapital- und Zinszahlungen auf US-Staatsanleihen, wenn die Wertpapiere bis zur Endfälligkeit gehalten werden. Im Gegensatz zu US-Staatsanleihen sind Schuldtitel, die von Bundesbehörden und Gebietskörperschaften begeben werden, sowie damit verbundene Anlagen nicht unbedingt durch die uneingeschränkte Kreditwürdigkeit und Steuerhoheit der US-Regierung abgesichert. Selbst wenn die US-Regierung Kapital- und Zinszahlungen auf Wertpapiere garantiert, gilt diese Garantie nicht für Verluste, die aus einem Rückgang des Marktwerts dieser Wertpapiere resultieren.
Die in diesem Artikel genannten Daten und Zahlen stammen von Russell Investments, Bloomberg und Reuters.
