AUTOREN

Dimitry Dayen, CFA
Senior Research Analyst for Renewables/Industrial Products and Services
Die wichtigsten Punkte
- Nach monatelanger Unsicherheit passieren immer mehr importierte Solarmodule den US-Zoll und unterstützen den Ausbau von kommerziellen Solarkraftwerken in den USA.
- Der Inflation Reduction Act (IRA) in den USA enthält Zusatzvorschriften, die regeln, wie hoch bei Produkten, die in den Genuss von Steuervorteilen kommen sollen, der Anteil an Komponenten aus US-Produktion sein muss. Das US-Finanzministerium hat hierzu nun Leitlinien mit geringeren Anforderungen an den US-Anteil herausgegeben, die Klarheit für Entwickler schaffen und Anreize für Projekte bis 2024 bieten.
- Durch niedrigere Frachtkosten und Preissenkungsdruck auf Solarmodule und Stahl verbessert sich auch die Kostenstruktur von Solarenergieprojekten.
Die Aussichten für ein Wachstum der Branche werden besser
Steigende Zinsen, Probleme in der Lieferkette, eine unklare Situation bei Zöllen auf importierte Module und in der Handelspolitik überschatteten in den letzten Quartalen den Markt für kommerzielle Solarkraftwerke. Inzwischen werden die Rahmenbedingungen immer besser – und damit auch die Wachstumsaussichten der Branche. Die Zollbestimmungen, die Vorschriften des Inflation Reduction Act1 für Steuererleichterungen, ein Zollmoratorium bis Juni 2024 und die rückläufigen Preise in der Lieferkette – all diese Faktoren tragen dazu bei, dass kommerzielle Solarkraftwerke in den kommenden Quartalen auf der Sonnenseite stehen dürften.
Im Gegensatz zu kleinen Solaranlagen auf Wohnhäusern sind kommerzielle Solarkraftwerke meist am Boden aufgestellte Photovoltaikmodule, deren Erzeugung direkt ins Stromnetz verkauft wird. Das Wachstum der Branche ist stark von den hauptsächlich aus Südostasien importierten Solarmodulen für die Projekte abhängig, auch wenn in den USA immer mehr Fertigungskapazitäten für Solarmodule aufgebaut werden. Die Wertschöpfung in der Solarbranche in den USA liegt vor allem bei Unternehmen, die für die Anlagen benötigte Komponenten anbieten, wie zum Beispiel EBOS-Komponenten (Electric Balance of Systems / Kabel, Verbinder und Sicherungen) und Unternehmen, die Tracker und Software für am Boden aufgestellte Solarprojekte liefern, sodass die Panel sich im Tagesverlauf nach der Sonne ausrichten.
Trotz einer gewissen Skepsis, die dem Markt derzeit entgegengebracht wird, gibt es Anzeichen, dass die Kapazität kommerzieller Solarkraftwerke in den USA 2023 gegenüber 2022 um rund 70 % auf etwa 20 GW2 und bis 2024 sogar auf 30 GW steigen wird. Sorgen bereitet allerdings das Gesetz gegen Zwangsarbeit der uigurischen Bevölkerung in China (Uyghur Forced Labor Prevention Act, UFLPA), das 2022 in Kraft trat und die Befürchtung widerspiegelt, dass die chinesische Lieferkette Produkte aus uigurischer Zwangsarbeit enthalten könnte. Manche Marktteilnehmer fürchten, dass dieses Gesetz dauerhaft zu Lieferverzögerungen bei Solarpanels führen wird, da die US-Zollbehörde Customs and Border Protection Lieferungen beschlagnahmt. Außerdem schreiben die Leitlinien des US-Finanzministerium für die Zeit nach 2024 eine Steigerung des Anteils aus heimischer Produktion vor. Dies deutet darauf hin, dass zur Stärkung der inländischen Lieferketten weitere Investitionen erforderlich sein werden, was wiederum das Wachstum teilweise verzögern könnte.
Importstau löst sich auf
Aber der durch das UFLPA-Gesetz erzeugte Stau bei der Zollabfertigung von Solarmodullieferungen scheint sich aufzulösen. Problematisch ist vor allem, dass die US-Zollbehörde Solarmodullieferungen aufgehalten hat, die die Einhaltung des UFLPA nicht nachweisen konnten. Noch bis November 2022 warteten in US-Häfen über 1.000 Komponenten für Solaranlagen auf ihre Freigabe.3 Unsere Recherchen deuten darauf hin, dass es nun, nach monatelangem Tauziehen mit der US-Zollbehörde, Anzeichen für eine mögliche Einigung über die Unterlagen gibt, die zum Nachweis der UFLPA-Konformität von Solarmodulimporten erforderlich sind. Die Freigabe von beschlagnahmten Jinko-Solarmodulen im Dezember 2022 stützt diese Auffassung, und die Anzahl der einbehaltenen Lieferungen ist seit Ende 2022 zurückgegangen.4 Dies deutet darauf hin, dass Standards für die Abfertigung von Importen etabliert wurden (Abbildung 1). Die Parameter für die Anwendung des UFLPA können sich noch immer ändern, aber bis jetzt stehen die Zeichen auf einer Lockerung der Einschränkungen.
Abbildung 1: UFLPA Vollstreckungsstatistiken: Elektronik-Importe

Stand: 3. April 2023. Quelle: ClearBridge Investments, US Customs and Border Protection. Meldungen zufolge sind die meisten einbehaltenen Elektroniklieferungen Solarmodule.
Das US-Finanzministerium hat kürzlich dringend erwartete Leitlinien zur Verbuchung der zusätzlichen 10 % Investitionssteuergutschrift für US-Bestandteile im Inflation Reduction Act herausgegeben. Mit der Veröffentlichung der Leitlinien werden die Transparenz und das Vertrauen hergestellt, die für das Vorantreiben von Projekten dringend erforderlich sind. Gleichzeitig scheinen die Leitlinien Anreize für die baldige Erschließung von kommerziellen Solaranlagen zu bieten, indem sie bis 2024 den Schwellenwert für US-Bestandteile auf 40 % senken. Nach 2026 müssen Produkte 55 % in den USA hergestellte Komponenten enthalten.
Moratorium auf Zölle bietet weitere Unterstützung für Importeure
Die Daten deuten auch darauf hin, dass nach der Einführung eines zweijährigen Moratoriums auf neue Zölle die Importe von Solarmodulen zunehmen. Im Juni 2022 unterzeichnete Präsident Biden eine präsidiale Verfügung, mit der die Anwendung neuer Zölle auf Solarkomponenten zwei Jahre lang ausgesetzt wird. Importe aus den von den Zöllen betroffenen Ländern stiegen in den Monaten nach dieser „Executive Order“ sprunghaft an und waren Ende 2022 auf dem höchsten Stand seit mehreren Jahren (Abbildung 2). Vor dem Moratorium waren die Importe auf unter 2 GW pro Monat gesunken, sind aber 2023 wieder auf über 4 GW gestiegen, wobei die zusätzlichen Importe vor allem aus südostasiatischen Ländern stammen, die von den Zöllen betroffen wären. Diese Importmengen deuten darauf hin, dass die Entwickler Solarmodule auf Vorrat kaufen, weil sie für das zweite Halbjahr 2023 und darüber hinaus von einem zunehmenden Wachstum bei kommerziellen Solarkraftwerken ausgehen.
Abbildung 2: Solarmodulimporte in die USA

Stand: 1. März 2023 Quelle: Piper Sandler. Kristallines Silizium ist das Halbleitermaterial, das in der Photovoltaik-Technologie hauptsächlich zur Herstellung von Solarzellen eingesetzt wird.
Ein parlamentarischer Überprüfungsbeschluss, mit dem das Moratorium gekippt werden sollte, sorgte bei Aktien von Solarfirmen 2023 für große Unsicherheit. Nach Verabschiedung dieses „Congressional Review Act“ durch den Kongress legte Präsident Biden erwartungsgemäß sein Veto dagegen ein. Dadurch werden die mit diesen Zöllen verbundenen Bedenken tatsächlich bis Mitte 2024 ausgeräumt.
Wir gehen davon aus, dass es auch im Juli 2024 keine wesentlichen Störungen der Importe geben wird, da die vorläufige Entscheidung aus dem Handelsministerium sich auf Zölle von rund 30 % zu fokussieren scheint, also wesentlich weniger als die von manchen Marktteilnehmern befürchteten 200 %. Zudem enthält die Entscheidung Ausnahmen für einige große Hersteller und ermöglicht Importe von Modulen und Wafers aus von den Zöllen betroffenen Ländern, selbst wenn diese chinesisches polykristallines Silizium verwendet haben. Darüber hinaus dürften neue Produktionskapazitäten, die nach der Entscheidung angekündigt worden waren, in den nächsten Jahren die Arbeit aufnehmen. Sie ergänzen dann die Kapazitäten im Inland, die sich bereits jetzt im Bau befinden. Dadurch und mit den Lagerkapazitäten an Solarmodulen, die anscheinend derzeit aufgebaut werden, dürfte beim Auslaufen der Executive Order ausreichend gesetzeskonforme Kapazität vorhanden sein, um ein deutliches Wachstum der Branche zu unterstützen.
Ankündigungen neuer Kapazitäten in den USA konzentrierten sich vor allem auf die Montage von Solarmodulen. Im Zuge der vertikalen Integration der Hersteller in den USA dürften auch die Kapazitäten für Solarzellen (aus denen die Module zusammengebaut werden) und mit der Zeit auch für Wafers (aus denen die Zellen bestehen) ausgebaut werden. Einen Anreiz für diesen Ausbau bilden die Vorschriften des US-Finanzministeriums zum Anteil an in den USA hergestellten Komponenten.
Ja, an manchen Stellen sinken die Preise tatsächlich
Gleichzeitig verbessern sich durch die sinkenden Solarmodulpreise und Frachtraten die Kostenstrukturen für Entwickler. Einige von ihnen sind öffentliche Versorgungsunternehmen, aber in diesem Bereich sind viele verschiedene große und kleine, öffentliche und private Unternehmen tätig. In letzter Zeit stiegen die Preise für Solarmodule aufgrund der Inflation am Markt für Polysilizium (dem Rohmaterial für Wafers), bei Stahlpreisen und Frachtraten von rund 0,30 USD/Watt auf knapp über 0,40 USD/Watt in Spitzenzeiten. In letzter Zeit sind diese Kosten jedoch gesunken und die Modulpreise gingen wieder auf unter 0,40 USD/Watt zurück. Da die Gesamtkosten eines Großprojekts für Versorgungsunternehmen in den USA bei rund 1,10 USD/Watt liegen, hat diese Entwicklung einen großen Einfluss. Die Entwickler streben einen internen Zinsfuß von 6–8 % an, daher macht schon eine Preissenkung von nur 0,05 USD/Watt viel aus.
Anfang 2023 ging der Preis für Polysilizium in PV-Qualität, der zuvor von unter 10 USD/kg im Jahr 2020 auf fast 40 USD/kg im Jahr 2022 gestiegen war, auf deutlich unter 20 USD/kg zurück (Abbildung 3). Weitere Preissenkungen sind möglich. In China kommen seit langem erwartete Polysilizium-Kapazitäten auf den Markt, und diese Entwicklung dürfte sich 2023 fortsetzen. Im laufenden Jahr könnten ganze 500 GW an jährlicher Polysilizium-Kapazität verfügbar werden – das weltweite Marktvolumen liegt üblicherweise bei weniger als 400 GW pro Jahr. Diese Entwicklung wird nicht komplett auf den Solarmodulpreis in den USA durchschlagen, da die Kapazitäten in der inneren Mongolei voraussichtlich scharfen Kontrollen nach dem UFLPA-Gesetz unterliegen. Unsere Prüfungen der Vertriebskanäle deuten jedoch darauf hin, dass die Preise für US-Importe bereits jetzt um 4–5 US-Cent/Watt sinken.
Abbildung 3: Deflation bei Polysilizium in PV-Qualität

Stand: 24. Mai 2023. Quelle: ClearBridge Investments, Bloomberg Finance.
In der Branche macht man sich Sorgen um ausreichende Anschlussmöglichkeiten an das Stromnetz zur Aufnahme der neuen Solarenergiekapazitäten. In diesem Bereich muss auf jeden Fall noch einiges getan werden, um ein langfristiges Wachstum bei kommerziellen Solarkraftwerken in den USA zu ermöglichen. Gleichzeitig weisen Daten der Federal Energy Regulatory Commission (der US-Energieaufsichtsbehörde) 72 GW an „höchst wahrscheinlichen Zusatzkapazitäten aus Solarenergie“ bis 2025 aus, und auch die Daten der Internationalen Energieagentur enthalten ähnliche Werte. Die Stromnetze sollten also in den kommenden Jahren für die Aufnahme der in diesem Beitrag erwähnten Solarenergiekapazitäten fit gemacht werden. Dies bestärkt uns in der Auffassung, dass sich die Wolken am US-Markt für kommerzielle Solarkraftwerke verziehen.
WO LIEGEN DIE RISIKEN?
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